Weiß wie Schnee, rot wie Blut, gruen vor Neid
auf das Essen und nahm sich ein Bier aus dem Kühlschrank. Dann nestelte er an der Tasche seiner hellgrauen Jacke, holte ein kleines, hübsch verpacktes Kästchen hervor und legte es neben mich auf die Anrichte. »Hier, für dich, Sarah.«
JamieTim, der sich vor lauter Nervosität noch nicht vom Büfett wegbewegt hatte, hüstelte und verließ mit der Bemerkung »Ich frag mal, ob jemand noch was trinken will« die Küche. Jetzt war es an mir, aufgeregt zu sein. Behutsam nahm ich das flache Päckchen und löste vorsichtig den Knoten der bordeauxfarbenen Schleife. In dem kleinen, mit orientalischem Muster verzierten Döschen lag ein weißes Plastikkästchen mit einem Knopf. Fragend sah ich Felix an. »Das ist ein Notfallknopf aus dem Krankenhaus. Falls dich böse Stiefmütter, Auftragskiller, Herzensbrecher oder anderes Unglück bedroht, musst du nur drücken und ich komme sofort zu deiner Rettung geeilt«, erklärte Felix und ich kämpfte augenblicklich mit den Tränen.
Seit ich hier wohnte, hatte ich mit aller Kraft versucht, meine Angst und ein Gefühl von Leere und Einsamkeit zu bekämpfen. Die Zwerge waren zwar zuckersüß zu mir, doch ich war oft alleine in der Wohnung. Außerdem vermisste ich meinen Dad. Nur er hätte mir wirklich helfen können. »Danke, das ist sehr lieb von dir«, flüsterte ich und wendete mich zu dem riesigen Topf mit Tomatensuppe, der auf dem Herd stand. Felix sollte nicht sehen, wie durcheinander ich war.
»Es tut mir so leid, was passiert ist«, entgegnete er ebenfalls leise und streichelte mir mit sanfter Hand über den Rücken. Ich unterdrückte den Impuls, mich zu ihm umzudrehen und mich an seine Brust zu schmiegen. Der Wunsch nach Schutz und Geborgenheit war fast überwältigend, doch ich konnte Felix unmöglich damit überfallen. Schließlich sahen wir uns heute erst zum zweiten Mal.
»Ich bring dein Geschenk mal eben in Sicherheit, okay?«
»Wenn ich mitkommen darf…«
Kurze Zeit später standen wir in meinem Zimmer. »Kaum zu glauben, dass ich mal hier gewohnt habe«, sagte Felix und betrachtete den Raum, der nach wie vor provisorisch eingerichtet war. »Hier steht ja wirklich nur noch das Nötigste drin! Aber immerhin hast du einen Laptop.«
»Julius war so nett, ihn für mich aus der Agentur mitzubringen. Das ist momentan die einzige Möglichkeit, mit meinem Dad zu kommunizieren. Der ist gerade in Island.«
»Gibt es denn sonst niemanden, mit dem du reden kannst? Unter den Gästen ist auch keiner, den ich nicht kenne. Hast du denn gar keine Freunde?«
»Doch, natürlich habe ich die! Aber je mehr Leute wissen, wo ich bin, desto größer ist die Gefahr, dass Bella mich hier aufstöbert. Also habe ich einfach eine Rund-SMS geschickt und behauptet, ich sei spontan nach Island geflogen.«
Felix ging unruhig im Zimmer auf und ab. »Und du willst wirklich nicht zur Polizei gehen und deine Stiefmutter anzeigen?«
Ich schüttelte den Kopf. »Diesen Gedanken habe ich schon hundertmal durchgespielt. Aber ich bin immer wieder zu dem Ergebnis gekommen, dass keiner mir glauben wird. Wenn ich zur Polizei gehe, werden die mich bestimmt direkt vom Revier nach Hause verfrachten.«
Felix nickte. »Na gut. Aber versprich mir bitte, dass du niemanden hereinlässt, wenn du alleine zu Hause bist, und mich anrufst, sobald dir etwas komisch vorkommt. Oder auf den Notfallkopf drückst«, fügte er mit einem kleinen Lächeln hinzu. »Außerdem würde ich an deiner Stelle Thomsen und Susi instruieren, dass sie keinem deine Adresse verraten, falls jemand nach dir fragt.«
Wieso sollte jemand im Tierlieb nach mir fragen?
»Lieb, dass du dir Gedanken machst. Aber jetzt bin ich ja gut gerüstet.« Ich deutete auf das Kästchen. »Aber jetzt lass uns mal zu den anderen gehen, ich habe nämlich Lust zu tanzen!« Und mich abzulenken…
23
Die Frau stand vor der Hausnummer sieben und blickte nach oben. Durch die geöffnete Balkontür drang laute Musik und sie sah das Mädchen zusammen mit einem jungen Mann am Fenster stehen. Die beiden schienen sich angeregt zu unterhalten.
Amüsier dich ruhig noch ein Weilchen, bald ist es vorbei mit Lachen und Tanzen,dachte die Frau und zog sich ihre Perücke mit den roten Locken tiefer ins Gesicht.
In den vergangenen Tagen war sie damit beschäftigt gewesen, verschiedene Maskeraden und Verkleidungen auszuprobieren, damit das Mädchen sie nicht erkannte. Doch trotz der Vorfreude auf das Gelingen ihres Plans sank die Laune der Frau, je länger sie vor dem Haus
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