Weiß wie Schnee, rot wie Blut, gruen vor Neid
drückte. »Mein Gott, Schneewittchen! Bin ich froh, dass es dir gut geht!«
»Na ja, wie man’s nimmt«, warf Johnny D ein. »Wenn Felix nicht zufällig vorbeigekommen wäre und Erste Hilfe geleistet hätte, säße Sarah jetzt ehrlich gesagt nicht hier…« JamieTim starrte ihn ungläubig an und öffnete den Mund. Doch mehr als ein entsetztes Schnappen brachte er nicht zustande.
»Wir müssen unbedingt irgendetwas unternehmen«, warf Aleks ein. »Wir können doch nicht tatenlos zusehen, wie diese Irre Jagd auf Sarah macht! Wer weiß, was ihr als Nächstes einfällt?«
Trotz meiner Schockstarre war ich gerührt. Ich kannte die Zwerge doch erst seit einigen Wochen und sie benahmen sich, als sei ich ein Teil ihrer Familie. In all den Jahren hatte ich mich in Langenhorn nicht ein Mal so willkommen gefühlt wie hier.
»Ey, JamieTim, was machst du eigentlich hier? Musst du nicht arbeiten?«, fragte Alex.
Stimmt, eigentlich hätte er in dem neuen In-Restaurant Viecherei sein müssen, das vor einiger Zeit in der Nähe des Schanzenbahnhofs eröffnet hatte.
»Bin rausgeflogen«, murmelte JamieTim mit gesenktem Kopf und streichelte währenddessen unablässig meinen Arm. Hatte er Angst, dass ich mich in Luft auflöste, wenn er den Körperkontakt zu mir verlor?
»Oh nee, nicht schon wieder«, stöhnte Aleks und schob erneut seinen Pony beiseite. »Haste dich wieder geweigert, Fleisch zuzubereiten?«
JamieTim war laut Selbstauskunft Teilzeit-Vegetarier. Das hieß, er versuchte im Allgemeinen, auf Fleisch zu verzichten, scheiterte aber immer wieder an seiner Vorliebe für Grillwürstchen, Geflügelaufschnitt und Hackgerichte. Seitdem ich in der Küche das Sagen hatte, war er allerdings clean, wie er es nannte.
JamieTim nickte unglücklich.
»Kannst du mir mal sagen, weshalb du dich immer wieder in Restaurants bewirbst, die für ihre Fleischspezialitäten bekannt sind? Was hast du denn gedacht, wofür der Name Viecherei steht?!«
Ich schaute zwischen Aleks und JamieTim hin und her. Scheinbar hatten die beiden diese Diskussion schon häufiger miteinander geführt.
»Ich weiß, ich weiß«, murmelte JamieTim kleinlaut. »Aber die sind momentan fast die Einzigen, die überhaupt noch Köche einstellen. Im Moment ist das nicht so dolle mit der Gastronomie. Und von irgendwas muss ich ja die Miete bezahlen!«
»Tja, jetzt wird wohl eher das Arbeitsamt dafür zuständig sein«, mischte sich nun auch Johnny D ins Gespräch.
Ich war froh über die Ablenkung, so konnte ich mich davor drücken, darüber nachzudenken, was ich auf der Polizeiwache sagen sollte.
»Bin wieder da!«, rief Felix und schwenkte fröhlich ein Tütchen aus der Apotheke. In meinem Zimmer ging es allmählich zu wie in der Fußgängerzone am letzten Samstag vor Weihnachten. »Von diesen Tropfen nimmst du die nächste Zeit dreimal täglich zwanzig und die hier…«, Felix zückte eine weiß-gelbe Cremetube, ». . . schmierst du dir dreimal täglich auf den Hals!«
Neugierig schraubte ich den Verschluss auf und schnupperte an der Salbe. Völlig geruchsneutral. Eigentlich hatte ich ja was dagegen, irgendwelche Mittel zu benutzen, die ich nicht kannte. Aber ich beschloss, Felix blind zu vertrauen. Schließlich war er mein Retter, mein Held. Mein Ritter in strahlender Rüstung!
»Ich würde vorschlagen, wir lassen Sarah jetzt mal schlafen. Das ist das Beste, was sie nach so einem Schock tun kann. Und währenddessen sollten wir uns beraten, was wir tun können, um sie in Zukunft vor ihrer Stiefmutter zu schützen«, meinte Felix, gefolgt von beifälligem Gemurmel der anderen Zwerge.
Ich flüsterte: »Danke, das ist total lieb von euch!«, und tröpfelte mir das Beruhigungsmittel auf die Zunge. Binnen Sekunden hatte ich das Gefühl, gleich in einen langen, tiefen Schlaf zu fallen – wie einst Dornröschen.
Momentan wäre ich wirklich gern Dornröschen gewesen. Wenn ich nur lange genug schlief, bestand vielleicht die Möglichkeit, dass Bella sich wie durch Zauberhand in Luft auflöste, genau wie der Tattoo-Mann und damit all meine Probleme. Dad wäre wieder aus Island zurück und würde nie mehr verreisen, weil Bella nicht mehr da war, um ihn zu vergraulen. Und ich hätte meinen Traum verwirklichen können, zusammen mit den sieben Zwergen in Frieden und Eintracht zu leben.
Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute!, war mein vorletzter Gedanke, bevor ich einschlief.
Mein letzter Gedanke galt Felix.
26
Als die Frau wieder zu Hause war,
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