Weiß wie Schnee, rot wie Blut, gruen vor Neid
Doch Patrick trieb uns voran: »Okay. Dann also: Klappe, die zweite!«
Diesmal hielt der Stift meinem Versuch, ihn aufzutragen, stand und ich sagte tapfer den bekloppten Satz von Julius. Als ich fertig war, strahlte ich stolz in die Runde – doch anstatt mich zu loben, guckte Patrick nur finster. NOCH finsterer als eben.
»Tja, das war wohl nichts, Sweetheart. Du hast vergessen, dir die Lippen zu lecken. Come on: Klappe, die dritte! Und diesmal bitte ohne Zwischenfälle!«
Oh, oh, Werbespots zu drehen, schien doch nicht so einfach zu sein. Und dies war ja noch gar nicht die eigentliche Aufnahme.
Jetzt bloß keinen Fehler mehr machen!!
Ich begab mich also wieder in Positur, lächelte, was mein Kiefergelenk hergab, trug wacker Plume auf und leckte mir brav über die Lippen. Die glänzten sexy und ich fand das alles super. Felix würde sich auf der Stelle in mich verlieben, wenn er mich so sah. Ob ich ein Exemplar mitnehmen durfte? Ich konnte unmöglich bis August warten, wenn es offiziell erhältlich war.
Doch halt, warum war es auf einmal so still im Raum?
»Sarah, wir warten! Meinst du, du kriegst das heute noch hin?«
Worauf wartete Patrick? Ich hatte doch alles gemacht, was er wollte. Ich schaute fragend Richtung Nina, deren Mund tonlos einen Satz formte. Schade, dass ich keine Lippenleserin war, das hätte mir jetzt sehr geholfen.
»Sarah, Liebes. Ob du wohl so freundlich wärst, deinen Satz zu sagen? Ich weiß ja nicht, wie es dir geht, aber ich für meinen Teil würde heute schon ganz gern irgendwann nach Hause gehen.«
Upps, ich hatte den Text von Julius vergessen.
»Soll ich noch mal von vorne anfangen?«
Mein Gott, war ich doof! Patrick schien das ähnlich zu sehen. »Nee, nicht nötig. Wir schneiden einfach nach dem Lippenlecken und hängen den Rest dran. Also leg los!«
Zum Glück gelang es mir, alles unfallfrei aufzusagen. Eine vierte Klappe hätte Patrick vermutlich an den Rand des Wahnsinns und mich an den Rand der Heulerei getrieben. Ich schämte mich. War ich wirklich so unprofessionell? Und was dachte Julius wohl von mir? Erst der Flop mit Black Delight und nun auch noch das.
»Dank dir Sarah, dass du vorbeigekommen bist. Ich habe JamieTim schon Bescheid gesagt, er holt dich gleich ab. Wir sehen uns dann heute Abend.«
Immerhin sprach er noch mit mir. Und nahm das Zwergen-Versprechen, mich zu beschützen, ernst.
Ich schlich wie belämmert zum Ausgang, gefolgt von einem hochnäsigen »Und tschüss« aus dem Mund des Wesens.
»Hey, Schneewittchen, wie geht’s?«, empfing JamieTim mich am Ausgang und ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Ich drehte mich noch einmal um und betrachtete das Gebäude, in dem die Agentur untergebracht war: Rotklinkerfassade, ein halbrunder Bau mit hohen dunkelgrün lackierten Fensterrahmen. Eine schlichte schwarze Banderole über dem Eingang, auf der in weißen Lettern der Name AltvonPlatt prangte.
Adieu, lukrative Werbeverträge – das war’s dann wohl mit uns, dachte ich traurig und hakte mich bei JamieTim unter.
»Wie sieht’s aus? Hast du Lust auf einen Yogi-Tee mit Honig?«, schlug ich vor. Es war zwar heute wieder ziemlich warm, aber ich wusste, dass JamieTim sich nichts sehnlicher wünschte, als im Café Oriental vorbeizuschauen, um in Alkas Nähe zu sein.
Ich konnte das gut verstehen, denn ich sehnte mich mindestens genauso sehr nach Felix.
32
Tödliches Gift zu bekommen, war leider keine ganz einfache Sache.
Seit Tagen schon recherchierte die Frau im Internet, in Buchhandlungen und Bibliotheken. Doch von A wie Arsen über P wie Polonium bis Z wie Ziegelroter Risspilz war keine der Substanzen frei verfügbar. Natürlich hätte sie Gunter fragen können, der durch seine einschlägigen Kontakte zur Hamburger Unterwelt mit Sicherheit an jedes Gift kam, das er wollte, aber damit wollte sie warten, bis ihr keine andere Lösung mehr einfiel.
Geld war nicht das Problem – Gunter hatte ihr jeden einzelnen Cent des Vorschusses zurückgezahlt. Aber an entsprechende Quellen zu kommen, ohne Gefahr zu laufen, in wirklich kriminelle Kreise zu geraten, war offenbar ein Ding der Unmöglichkeit. Sie musste also eine andere Tötungsart finden.
Mit frisch lackierten Fingernägeln fuhr sie die Buchrücken in Philipps Bibliothek entlang. Neben Reiseführern und Bildbänden, Dokumentationen und wissenschaftlichen Arbeiten besaß er eine Handvoll Krimis und Thriller. Keiner der Autorennamen sagte der Frau etwas. Doch sie würde sich Zeit nehmen, um in Ruhe
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