Weiß wie Schnee, rot wie Blut, gruen vor Neid
mir auch nichts passieren. Viel Spass bei deinem Treffen.«
Leander schien erleichtert, dass er nicht den Babysitter spielen musste, und in mir stieg Wut auf. Eigentlich wäre es doch die Aufgabe meines Vaters gewesen, mich vor Bella zu beschützen, nicht die der Zwerge. Aber Dad schipperte irgendwo durchs grönländische Packeis, filmte Wale und hatte keine Ahnung, in welcher Gefahr sich seine Tochter befand. Und tat auch ganz offensichtlich nichts dafür, es in Erfahrung zu bringen.
Seine Redaktion hatte ihn offenbar noch nicht aufgetrieben, sonst hätte er sich bestimmt gemeldet. Neben der Wut stieg nun auch Angst in mir auf. Hoffentlich war ihm nichts passiert!
Ich versuchte, die trüben Gedanken wegzuschieben und mir stattdessen zu überlegen, was ich mit meinem Honorar machen wollte. So viel Geld hatte ich noch nie besessen. Momentan hatte ich das Gefühl, mir alles leisten zu können, was ich wollte. Als Erstes würde ich natürlich meine Garderobe aufstocken, dann einen iPod kaufen, damit ich endlich wieder Musik hören konnte, und ein paar Bücher. Und den schönen Herzanhänger, den ich in einem Schaufenster gesehen hatte und der ein bisschen Ähnlichkeit mit dem von Mom hatte.
Beim Gedanken daran, dass der Granatschmuck vermutlich im Besitz von Bella war, zog sich augenblicklich alles in mir zusammen. Bella, diese abgrundtief böse und widerliche Frau. Die Frau, die mit einem Schlag mein Leben auf den Kopf gestellt und zweimal beinahe zerstört hatte. Die Frau, der ich mittlerweile die Pest an den Hals wünschte oder Schlimmeres. Ich hätte große Lust gehabt, sie mit ihren eigenen Waffen zu schlagen und ebenfalls einen Auftragskiller zu engagieren, der Bella um die Ecke brachte. Genug Geld dazu hatte ich ja jetzt. Jemanden, der sie genüsslich quälte, indem er ihr vor Augen führte, was sie mir angetan hatte – nur um sie dann elendiglich zu…
Das Telefon klingelte und mir blieb beinahe das Herz stehen. Zitternd drückte ich den Annahmeknopf.
»Sarah, Liebes«, vernahm ich die Stimme meines Vaters. Unendlich weit weg und sehr schlecht zu verstehen. Es knisterte und knatterte in der Leitung und ich hatte Angst, dass die Verbindung jeden Moment zusammenbrechen würde. Dabei brauchte ich doch jetzt ein bisschen Zeit mit ihm, um zu erzählen, was passiert war.
»Geht’s dir gut?«, fragte Dad atemlos und klang so besorgt, dass ich einen kurzen Moment überlegte, doch nichts zu sagen. »Ich mache mir Sorgen. In der Redaktion haben sie mir…«
Knistern, Knattern, Knacken. Ich antwortete mit so fester Stimme, wie ich konnte: »Doch, doch alles gut«, und wollte soeben fortfahren, als mein Vater mir ein unendlich erleichtertes »Mein Gott, bin ich froh« entgegenschmetterte.
Und ehe ich dazu kam, den Satz zu vervollständigen und zu sagen, dass natürlich nicht alles okay war und Bella mir im wahrsten Sinne des Wortes an die Gurgel wollte, sagte er die magischen vier Worte, die mir augenblicklich den Wind aus den Segeln nahmen: »Ich habe mich verliebt!«
Ich wusste nicht, was ich zuerst denken sollte. Dad klang trotz der miesen Telefonleitung auf einmal so gelöst und glücklich, wie ich ihn seit Ewigkeiten nicht mehr gehört hatte. Oder eigentlich noch nie. Deshalb brachte ich es auch nicht übers Herz, ihn zu unterbrechen.
»Sie heißt Anne und ist Meeresbiologin. Sarah, du ahnst gar nicht, wie gut diese Frau mir tut. Ich habe nachgedacht und einen Entschluss gefasst: Sobald ich zurück bin, werde ich mich von Bella trennen und wir ziehen noch am selben Tag aus, das verspreche ich dir. Anne hat mir die Augen geöffnet – ich habe dich viel zu lange mit deiner Stiefmutter allein gelassen, das hätte ich nicht…«
Dann brach die Verbindung ab. Ich rief noch ein paarmal »Dad, bist du da?« in den Hörer, doch die Leitung war tot.
In mir tobte ein Gefühlsorkan. Freude, Enttäuschung, Wut, Trauer, Ohnmacht, Hoffnung – die gesamte Palette. Wie gern hätte ich Dad jetzt umarmt und ihm gratuliert. Gleichzeitig war ich sauer, dass ich schon wieder keine Chance gehabt hatte, ihm zu sagen, was passiert war.
Außerdem wusste ich noch nicht einmal, wann er wieder zurück sein würde.
36
Internet macht’s möglich!, dachte die Frau und malte sich genüsslich aus, wie die Auftraggeber von Sarahs Werbespot reagieren würden, wenn sie nicht zum Dreh erschien. Wenn sie nicht erschien, weil sie stattdessen auf dem Fußboden ihres Badezimmers lag.
Zerrissen in tausend Stücke, das schöne Gesicht bis
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