Weiss
Gespräch.
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Anita Arho zündete sich in ihrem Büro am Eteläranta eine kubanische Zigarre an, eine H. Upmann Magnum 50, und warf einen Blick auf das Foto von Fidel Castro an der Wand. Als sich damals Ende der sechziger Jahre die kleine, gutaussehende Teenagerin die sechzehn Zentimeter lange Zigarre der Marke Super Robusto zwischen die Lippen schob, schnellten die Zeiger der finnischen Stalinisten nach oben, aber heutzutage befriedigte das Rauchen des Phallussymbols nur noch ihre Nikotinsucht. Die Zeiger der Stalinisten ließ vermutlich auch nichts anderes mehr nach oben schnellen.
Anita Arho war in der Geschäftsbank Kansallis-Osake-Pankki der größte Verfechter von Valutakrediten gewesen, bevor die Finnmark 1991 abgewertet wurde und zehntausende Unternehmen und Privatpersonen in Konkurs gingen. Sie hatte die schwerste Krise der finnischen Wirtschaftsgeschichte in den Jahren 1990 bis 1993 fast ohne Makel überstanden, obwohl sie in der Zeit vor der Krise über die Darlehensvergabe der Bank entschieden hatte. Als im Jahre 2000 der Wert der IT-Aktien einbrach, leitete sie das größte finnische Unternehmen für Dienstleistungen auf dem Gebiet der Informationstechnologie und saß in den Aufsichtsräten von zwei anderen IT-Firmen. Und noch kurz vor der letzten Krise hatte sie in ihrer Eigenschaft als Vorstandsvorsitzende des bedeutendsten finnischen Holzverarbeitungskonzerns gegenüber Medienvertretern die glänzenden Zukunftsaussichten der Branchegepriesen. Drei Ehemänner hatte sie zum Standesamt geführt – gegen deren mehr oder weniger großen Widerstand. Ihre Jagdhunde erschoss sie selbst, wenn sie keine Spur mehr aufnehmen konnten, sie war die Vorsitzende ihres Jagdvereins, weidete die Elche selbst aus, die sie schoss, und saß noch in der Sauna, wenn dem letzten Mann längst die Luft ausgegangen war.
Anita Arho öffnete das Fenster, die Magnum 50 qualmte wie ein Haufen nassen Laubs. In Finnland musste man zum Glück nicht sehr viel können oder wissen, um Unternehmen zu führen, es reichte, wenn man die richtigen Leute kannte und genug Schneid, Wagemut und Selbstvertrauen besaß, sich erhobenen Hauptes vor den Medien und den Leuten auf der Jahreshauptversammlung der Aktionäre hinzustellen und mit leuchtenden Augen zu behaupten, alles sei in bester Ordnung, selbst wenn das Fallbeil der Guillotine schon herabrauschte. Nie hatte jemand ihre Sprechblasen aufgestochen und hinter ihre Fassade geschaut, es fehlte den Leuten entweder an Mut oder an Können.
Doch jetzt war die Situation eine andere. Denn Mundus Novus fürchtete die Behörden oder die Strafgesetze nicht und verstand mehr von Geschäften als jeder andere. Die Lage war katastrophal, weil die Ermittlungen der KRP nun schon das Kabinett bedrohten. Die Polizei untersuchte die Aktivitäten von Severnaja und Kivijalka, über kurz oder lang würde sie Wind vom Kabinett bekommen. Derartige Ermittlungen musste man im Keim ersticken. Wenn die einfachen Polizisten erst einmal Verbrechen großen Kalibers witterten, würde es noch schwieriger, die Angelegenheit unter den Teppich zu kehren. Sie hatte alles in ihren Kräften Stehende getan und den Eigentümer des Feriendorfes in Lohja umbringen und die Frauen aus allen Feriendörfern entfernen lassen. Und sie hatte dafür gesorgt, dass die Urheber des ganzen Knäuels von Ermittlungen, Kati Soisalo und Leo Kara, in den Würgegriff genommen wurden. Und dennoch ging alles den Bach hinunter, und zwar immer schneller.
Anita Arho legte die qualmende Zigarre auf den Rand des Aschenbechers, nicht einmal sie war ein derart eingefleischter Nikotinist, dass sie es schaffte, eine ganze Super Robusto auf einmal zu rauchen. Sie nahm den Laptop auf den Schoß und las die Nachricht auf Twitter noch einmal. Ukkola schlug ein Treffen wieder am selben Ort wie zuletzt vor. Das war ansonsten ein guter Versuch, doch die einzige Regel ihrer Treffen bestand darin, dass sie sich nie zweimal hintereinander am selben Ort trafen. Verdammt, wer hatte sie hier ins Visier genommen? War Ukkola jetzt völlig verwirrt oder erwischt worden? Und warum hatte er ihr gegenüber mit keinem Wort erwähnt, dass Krylow beim Menschenschmuggel auch Drogen nach Finnland gebracht hatte? Machte Ukkola tatsächlich hinter ihrem Rücken Geschäfte? Dieser Idiot bildete sich doch wohl nicht ein, dass sie keine Verbindung mit ihren anderen Kontakten bei der Polizei hielt? Das Kabinett hatte schließlich im Polizeiapparat auch höherrangige Mitglieder als einen
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