Weiss
in die Hand.
»Ich mache das Geschäft nur mit dir persönlich«, las Tirkkonen vor.
In der Leitung wurde es für einen Augenblick still. »In dem Fall wird die Ladung in Russland übergeben.«
Kati Soisalo schüttelte den Kopf so heftig, dass ihre Haare flatterten.
»Das geht nicht«, widersprach Tirkkonen verärgert. »Ich habe doch gesagt, dass wir die … Grenzformalitäten nicht hinkriegen.«
Arbuzow überlegte eine Weile. »Na gut. Wir organisieren zwei Treffen, an einem Ort wird die Ladung überprüft und übergeben, und die Bezahlung erledigen wir per Computer irgendwo anders.«
Kati Soisalo hielt den Daumen hoch.
»Das ist o.k.«, antwortete Tirkkonen.
»Ich überprüfe euer Konto und melde mich wieder«, sagte Arbuzow, beendete das Gespräch und bremste, als er die rasch näherkommenden Rücklichter vor sich sah. Auf der Moskowskoje Chaussee hatte es mal wieder einen Unfall gegeben.
***
Jukka Ukkola ging mit einem Blumenstrauß in das Pflegeheim für Demenzkranke in der Luotsikatu im Helsinkier Stadtteil Katajanokka, etwa zweihundert Meter von der Uspenskikathedrale entfernt. Seine Mutter wohnte in der Station »Stern« des Leena-Heimes. Die alten Möbel und Einrichtungsgegenstände sollten dafür sorgen, dass sich die Alzheimer-Patienten heimisch fühlten, am besten erinnerten sie sich an Dinge und Ereignisse in ihrer Jugend.
Auf dem Flur begegnete er einer Schwester, die er kannte.
»Hat meine Mutter gegessen?«
»Eliisa hat gestern und heute schön gegessen. Sie hat jetzt eine richtig gute Phase«, antwortete die Schwester sorglos.
Ukkola betrat das Zimmer, setzte sich aufs Bett, auf dem eine Tagesdecke aus Spitze lag, und betrachtete seine Mutter, die in einem Schaukelstuhl auf- und niederschwang, über dem Stuhl hing eine braune Rya. Das schwere Stadium der Alzheimer-Krankheit hatte vor ungefähr einem Jahr begonnen. Jetzt wurden seiner Mutter Windeln angelegt, und sie musste gefüttert werden. Manchmal, wenn er ihr richtig lange und konzentriert in die Augen schaute, bildete er sich ein, eine Art Aufleuchten zu sehen, ein Zeichen dafür, dass sie ihn erkannte. Doch der Arzt versicherte, das sei äußerst unwahrscheinlich.
»Ich habe weiße Rosen mitgebracht. Die magst du doch.« Ukkola wickelte die Blumen aus und stellte sie in die Vase. Die Schwester würde ihnen schon Wasser geben.
»Wie geht es dir? Das Essen hat dir geschmeckt, habe ich gehört.« Ukkola redete nur deshalb, weil es ihm blöd vorkam, stumm wie ein Fisch in dem Zimmer zu sitzen. Mutter verstand nicht mehr, was man sagte.
»Essenszeit, Essenszeit …«, wiederholte sie immer wieder.
Die arme Frau hatte keine Ahnung, wo sie sich befand. Er konnte nur hoffen, dass sie keinen Krampfanfall bekam oder ihn, wie beim letzten Mal, für seinen Vater hielt.
Die Besuche hier waren kein Vergnügen, aber Mutter hatte nun mal niemand anders. Und schließlich hatte sie seinerzeit für ihn gesorgt. Zwei Jahrzehnte lang hatte sie Kerzen verpackt und fast noch einmal genauso lange auf dem Bahnhof Fahrkarten verkauft. Und das war nun der Lohn dafür.
Vor etwa zwanzig Jahren war er eher froh gewesen, als Vater sich den Strick genommen hatte, aber mit zunehmendem Alter war ihm klargeworden, dass man auch diesen Loser gebraucht hätte. Mutter hatte sehr um Vater getrauert.
Um keinen Preis der Welt würde er zulassen, dass er in einenderartigen Zustand geriet. Seine Patientenverfügung war im Kamin seines Hauses in Pitäjänmäki versteckt. Sie hatte auch einen Namen: SIG Sauer P226.
Jukka Ukkola hielt die Hand seiner Mutter und dachte eine Weile an überhaupt nichts.
Als im Radio das Zeitzeichen erklang, küsste Ukkola seine Mutter auf die Stirn und verließ das Haus, das nach Altsein roch. Er setzte sich in seinen Volvo und rief Arbuzow an, erreichte aber nur den Anrufbeantworter und hinterließ eine Nachricht voller Flüche. Verdammt, hier stimmte etwas nicht, niemand reagierte auf seine Bitten um einen Rückruf, weder Arbuzow noch Fidel. Er fühlte sich wie im Zentrum eines Gewittersturms, wenn der Wind eine Pause machte und alles still wurde, kurz bevor die ersten grellen Blitze zuckten.
In großer Gefahr und sehr allein.
***
Eine halbe Stunde nach Eero Palomaas Anruf stand Leo Kara an dessen Schreibtisch. Seit er vor einem reichlichen Jahr das erste Mal vom Kabinett und von Mundus Novus gehört hatte, wartete er auf so etwas: echte Enthüllungen eines Menschen, der wusste, wovon er redete. Auf dem Tisch lag ein Dokument mit
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