Weiss
Doch nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion konzentrierte sich das Kabinett mehr und mehr ausschließlich auf die wirtschaftlichen Aktivitäten. Seine Aufgabe wurde es, das in private Hände gelangte Milliardenvermögen der Sowjetunion zu waschen und anzulegen. Das Kabinett war der größte, geheimste und effizienteste aller vom KGB initiierten und vom FSB weitergeführten Komplexpläne. Der Kreml und die Nachrichtendienste Russlands haben für die wichtigste Aufgabe ihrer Geschichte, die
Privatisierung des Eigentums der Sowjetunion, gewissermaßen einen ganzen Staat eingespannt – Finnland.
Anita Arho hat entweder persönlich oder über die von ihr geleiteten Unternehmen sowohl zu Zeiten der Sowjetunion aus dem Solidaritätsfonds (Wneschekonombank, Geheimkonto Nr. 1, Anhänge 1–17) als auch in der Zeit der Russischen Föderation aus vielen verschiedenen Quellen (Anhänge 18–39) erhebliche Geldsummen entgegengenommen. Der Deckname Anita Arhos, den sie Ende der siebziger Jahre vom KGB erhielt, lautet Fidel. Sie hat im Laufe der Jahrzehnte dem KGB und dem FSB hunderte Male Informationen über die finnische Wirtschaft sowie die von ihr geleiteten Unternehmen zukommen lassen und somit Verstöße zumindest gegen Kapitel 12, § 5 des Strafgesetzbuches und darüber hinaus gegen viele Gesetze zur Regulierung der Börse und der Finanzmärkte (Anhänge 40–82) begangen. Anita Arho ist derzeit die Vorsitzende des Kabinetts.
Leo Kara legte die Erklärung auf Palomaas Schreibtisch und bemerkte, dass er lächelte. Endlich ein Durchbruch. Er holte aus der Gesäßtasche seiner Jeans die Serviette von Jussi Ketonen und fand darauf Anita Arhos Namen. Jetzt wusste er, wer die Vorsitzende des Kabinetts war, jetzt könnte er Jukka Ukkola beim Kabinett hochgehen lassen.
Palomaas Erklärung würde er an die Polizei weiterleiten, natürlich, aber vorher wollte er sich mit Anita Arho treffen. Und sie unter Druck setzen, das war die Chance seines Lebens, Informationen über das Kabinett und zugleich dessen Kooperationspartner Mundus Novus zu erhalten.
Doch zuallererst stand nun das Treffen mit Dimitri Arbuzow bevor.
21
Sonntag, 15. August
Sakke Tirkkonen war zwar Präsident eines Motorradclubs, besaß aber auch ein Auto. Kati Soisalo saß auf dem Beifahrersitz. Als der kantige und kompakte Dodge Nitro auf dem Parkplatz des Sportgeländes von Herttoniemi in Ost-Helsinki zum Stehen kam, stieg sie sofort aus. Darauf hatte sie drei Jahre lang gewartet, das erste Mal nach Vilmas Verschwinden würde sie jemanden treffen, der ganz genau wusste, was mit ihrem Kind geschehen war.
Leo Kara sah, dass Kati Soisalo total unter Strom stand. »Vergiss nicht, was wir ausgemacht haben. Wir erfahren nur etwas über Vilma, wenn wir diese Geschichte mit kühlem Kopf durchziehen.«
Dass er tauben Ohren predigte, wurde ihm spätestens dann klar, als Kati Soisalo ihr Hemd hob und eine Pistole, eine Glock 19, aus dem Hosenbund zog. Tirkkonen legte noch eins drauf und zeigte seine fünf Zentimeter längere Beretta 92.
Dann stellte er seine Computertasche auf den Boden, holte das Telefon aus der Hose und rief seine Männer an. Es war vereinbart, den Kaufpreis auf Arbuzows Konto zu überweisen, sobald die Drogen und eine Lkw-Ladung mit Menschenhandelsopfern auf dem Parkplatz der Raststätte »ABC-Majakka« in Pyhtää, zwischen Helsinki und Vaalimaa, an Tirkkonens Leute vom MC Black Angels übergeben wurden.
Kati Soisalo hastete im Laufschritt hinauf zum Turm der Sprungschanze auf dem Hügel. Gut, dass Arbuzow mit dem Treffpunkt einverstanden gewesen war, den sie vorgeschlagen hatte, diese Gegend kannte sie wie ihre Westentasche.
Kara und Sakke Tirkkonen mit der Computertasche musstensich anstrengen, um an dem steilen Anstieg nicht hinter Kati Soisalo zurückzubleiben. Keuchend erreichten die drei den Schanzenturm. An der Dutzende Meter hohen Holzkonstruktion lehnte ein etwa vierzigjähriger Mann mit rundem Gesicht, der Sommerkleidung in grellen Farben trug.
»Dieses Treffen wird ein wenig anders verlaufen, als du es dir vorgestellt hast«, sagte Kara. Sowohl Tirkkonen als auch Soisalo richteten ihre Waffe auf Arbuzow.
»In dem Fall bekommt ihr die Ware nicht«, entgegnete Arbuzow verärgert und überrascht.
»Wir wollen die Ware nicht, du Idiot, wir wollen Informationen!«, rief Soisalo.
»Welche Mitglieder des Kabinetts wissen von den Kindern und Drogen, die du nach Finnland bringst? Jukka Ukkola, Anita Arho?«, fragte Kara in scharfem
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