Weiss
irgendwie geahnt, was Gefühle sind, es gab schließlich keinen rationalen Grund als Erklärung für die Sichtweise der fanatischsten Verfechter des Kommunismus. Von da an hatte er sein Möglichstes getan, um verstehen zu lernen, was Gefühle waren, woher sie kamen und was Menschen veranlasste, schwarz für weiß und weiß für schwarz zu halten.
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Dimitri Arbuzow stand im Bernsteinzimmer des Katharinen-Palastes oder genauer gesagt in dessen knapp zehn Jahre alter Nachbildung. Das Original, der Anfang des achtzehnten Jahrhundertsentstandene Saal, war während des Zweiten Weltkriegs zerstört worden. Sein Kindergesicht, das grellgelbe Pikeehemd, die geblümten Bermudashorts und die Crocs-Sandalen erwiesen sich als ideale Tarnung, er sah aus wie ein Tourist. Er hatte keine Ahnung, warum Nikolai Mironow, der Erste Vizechef des FSB, des Nachrichtendienstes der Föderation, ihn ausgerechnet hier treffen wollte, wo sich ganze Heerscharen von Touristen drängten. Womit Mironows Anliegen zusammenhing, glaubte er indes zu wissen. Schließlich war der FSB seine Organisation und der Beschützer von Mundus Novus.
Nikolai Mironow, Veteran zweier Tschetschenienkriege, betrat den Raum. In Zivil sah der breitschultrige General eher wie ein Waldarbeiter aus. Er blieb an der Wand stehen, um einige Details der mit Bernstein bedeckten Paneele zu betrachten. Arbuzow gesellte sich zu ihm. Das Sprachgewirr der begeisterten Besucher erfüllte den Raum.
Mironow kam ohne Umschweife zur Sache. »Ich wollte mich mit dir über die Situation in Finnland unterhalten. Das Kabinett befürchtet, dass der stellvertretende Chef der KRP absichtlich oder unwissentlich Informationen an die Behörden verrät. Jukka Ukkola ist dein Kooperationspartner. Weißt du, wie die Lage ist?« Der Erste Stellvertreter des FSB-Chefs redete leise und legte eine Pause ein, wenn einer der Touristen in Hörweite geriet.
»Nach Ansicht des Generaldirektors des UNODC erhält sein Assistent Leo Kara Informationen von Ukkola. Wie, weiß ich nicht genau«, antwortete Arbuzow.
»Du musst den Kontakt zu Ukkola abbrechen«, befahl Mironow.
»Warum hat der FSB Krylow gegenüber der finnischen Polizei enttarnt?«, fragte Arbuzow.
»Um Mundus Novus und dich zu schützen. Jetzt erhalten wir Informationen von der KRP. Wenn die Finnen Krylows Verbindungzum FSB selbst herausgefunden hätten, wären sie möglicherweise auf den Verdacht gekommen, dass wir etwas mit Krylows Geschäften zu tun haben«, antwortete Mironow mit einem schiefen Lächeln. Er beugte sich weiter vor zu dem Wandpaneel, auf dem ein prächtiges königliches Adlerwappen zu sehen war, und setzte dann die Besichtigung des Bernsteinzimmers fort wie ein ganz normaler Tourist. Das Treffen war beendet.
Arbuzow wartete eine Weile, verließ dann den Katharinen-Palast, eilte im Laufschritt zum Parkplatz und stieg in seinen Lexus. Die Fahrt vom Vorort Puschkin bis ins Zentrum von Sankt Petersburg würde unheimlich lange dauern, da blieb Zeit genug, aus dem Auto in Finnland anzurufen. Mironows Befehl, die Zusammenarbeit mit dem
Japontschik
Ukkola zu beenden, hatte seine Entscheidung besiegelt. Jetzt war er gezwungen, einen neuen Kooperationspartner als Zwischenhändler für die Mädchen und Drogen anzuheuern, sonst wären die Geschäfte in Finnland zu Ende, und das kam nicht in Frage. Seine Helfer produzierten in Sertolowo weiterhin ohne Unterbrechung synthetische Drogen, und die Heroinroute aus Afghanistan funktionierte unverändert. Wenn er keine Ware mehr abkaufen würde, könnte jemand die Nerven verlieren. Und überhaupt sollte man eine melkende Kuh nicht schlachten, die Operation in Finnland hatte irre viel Geld abgeworfen. Er griff zum Telefon.
Sakke Tirkkonen meldete sich an Paranoids Küchentisch. Kati Soisalo setzte sich mit Block und Stift neben ihn, bereit, Anweisungen zu schreiben.
»Ich habe das Image eures Clubs und deinen Background überprüfen lassen. Wir könnten eine Zusammenarbeit probieren, mit einer Lieferung, dann werden wir sehen, ob es weitergeht«, sagte Arbuzow. »Wir liefern die Ware irgendwohin nach Südostfinnland, den Ort könnt ihr wählen. Habt ihr das Geld?«
Tirkkonen zog einen Zettel aus der Brusttasche seiner Jeansweste. »Du erhältst das Passwort und eine Transaktionsnummerunseres Escrow-Kontos bei der UBS-Bank. Du hast Zugang zu der Seite, kannst aber natürlich ohne uns von dort kein Geld überweisen.« Er nannte die Ziffern. Dann drückte ihm Kati Soisalo einen neuen Zettel
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