Weiss
Leiter der Technischen Abteilung.
»Der Premierminister fürchtet, dass dadurch ein Chaos ausgelöst würde. Derzeit wird nur das THORP-Gebäude evakuiert«, antwortete Betha Gilmartin.
»Hoffentlich fällt irgendjemandem eine gute Erklärung für die Medien ein«, sagte Grover und klatschte dann in die Hände, um die Aufmerksamkeit der Gruppenmitglieder auf sich zu ziehen. »Wir gehen wieder an die Arbeit. Die Spielregeln haben sich geändert, jetzt müssen wir alles tun, um das Plutonium aufzuspüren, nachdem es aus Sellafield weggebracht worden ist.«
»Gibt es etwas Neues von Pianini oder Rostow?«, erkundigte sich Betha Gilmartin bei Grover, als die anderen wieder an ihre Arbeit gegangen waren.
Clive Grovers Gesichtsausdruck wurde ernst. »Wir haben vorhin gerade erfahren, dass Manas in Finnland mit zwei Polizistenmorden in Verbindung gebracht wird. Nach Ansicht der lokalen Behörden wurde seine Spur schnell aufgenommen, er konnte das Land nicht verlassen. Sie sind zuversichtlich, ihn zu finden. Übrigens war unser alter Bekannter, Kara vom UNODC, am Tatort, wenn ich das richtig verstanden habe.«
Auch ohne auf die Anzeige zu schauen, wusste Betha Gilmartin, dass ihr Puls gerade in die Höhe schnellte. Warum zum Teufel hatte Gilbert Birou Kara immer noch nicht aus Finnland abkommandiert?
***
Die Jalousien der Zweizimmerwohnung im Helsinkier Stadtteil Pajamäki waren geschlossen. Manas fühlte sich alles andere als sicher, obwohl nur ein Mitglied des Kabinetts wusste, dass er sich hier aufhielt. Die Katastrophe von Lohja ging ihm ständig durch den Kopf, dafür sorgten schon sein lädierter Arm voller blauer Flecken und die Medien, die wegen der Polizistenmorde in heller Aufregung waren.
Er saß an seinem Laptop, starrte auf die Facebook-Seite »Fluchtgeschwindigkeit« und wusste, dass er außer sich vor Wut sein müsste. Wegen des blödsinnigen Auftrags von Mundus Novus steckte er in Finnland fest, ausgerechnet jetzt, wo die britische Regierung grünes Licht für die Operation Sellafield gab.
Manas nahm sein Blackberry-Telefon und rief Rostow an. Dank des Verschlüsselungsprogramms Cellcrypt Mobile ließ es sich einigermaßen sicher benutzen.
»Du hast bestimmt schon erfahren, dass unser Angebot angenommen wurde«, sagte er, als Andrej Rostow sich meldete.
»Bist du noch in Finnland? Müsstest du nicht die Lage in … England beaufsichtigen?«
»Das kann ich auch von hier aus, ich brauche nur eine Steckdose und einen Breitbandzugang«, antwortete Manas. »Außerdem ist alles bereit, der Plan ist bis zu Ende durchdacht und ausgefeilt. Wie steht es um den Prototyp? Ich trage die Verantwortung für das Gerät.«
»Er wird rechtzeitig fertig, vorausgesetzt natürlich, der Sellafield-Plan gelingt.«
Manas beendete das Gespräch, er hatte erfahren, was er wollte. Dann griff er nach John Kosas Studie zur Psychologie des Kommunismus und streckte sich auf der Schaumstoffmatratze aus, die auf dem Fußboden lag. Jetzt musste er nur warten. Diesmal würde es länger dauern, bis eine sichere Ausreise aus dem Land organisiert war. Ein Profi tötete Polizisten nur im absoluten Notfall, weil die Behörden immer alles in ihren Kräften Stehende unternahmen,um einen Kriminellen zu fassen, der sich an ihren eigenen Leuten vergriffen hatte.
Er entfernte den rosafarbenen Haftzettel auf Seite 17, bis hierher war er beim letzten Mal gekommen. Kosas Buch war faszinierend, er las es schon zum x-ten Mal. Manas brannte darauf, das System zu verstehen, das ihn ausgebildet und einer Gehirnwäsche unterzogen hatte.
Eigentlich hätte er dem Kommunismus dankbar dafür sein müssen, dass er sich überhaupt für Gefühle interessierte. In seiner Kindheit, als man ihn in der internationalen Schule »E. D. Stasowa« systematisch mit der Ideologie der kommunistischen Welteroberung indoktrinierte, hatte er den Kommunismus für eine dumme Erfindung gehalten und die Schlussfolgerung gezogen, dass die Welt der Erwachsenen ein Spiel, eine Art Theater sein musste. Warum hätten die Kommunisten sonst ein System gepriesen, mit Leib und Seele verteidigt und den Bürgern eingetrichtert, das aufrecht erhalten wurde, indem man die Freiheit einschränkte und all jene, die sich weigerten mitzuspielen, in Arbeitslagern oder auf Friedhöfen entsorgte. Als er älter wurde, hatte er begriffen, dass tatsächlich alles ein Spiel war, aber zu seinem Erstaunen auch festgestellt, dass ein Teil der Menschen es ernst nahm. Damals hatte er zum ersten Mal
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