Weiss
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28
Montag, 16. August
Kara kauerte auf dem Boden, die Arme um die Schienenbeine gelegt, den Bauch fest gegen die Oberschenkel gedrückt. Er öffnete und schloss die Augenlider wie eine Eule im Abstand von einigen Sekunden, das verdrängte die Bilder, die aus der Dunkelheit ans Licht strebten. Außerdem bewahrte ihn das davor, ständig auf die Wand dieses Kellers zu starren, in dem er vor einundzwanzig Jahren seine Schwester zum letzten Mal gesehen hatte. Doch nichts half, weder die Phantasie noch die Flucht in sein Inneres, er konnte nicht entkommen. Sein Kopf quoll über von Erinnerungen – alten und neuen.
Er war nicht imstande, weiter auf der Stelle zu hocken, er stand auf und durchmaß das Kellerloch mit langen Schritten, aber das brachte auch keine Erleichterung. Er war wacklig auf den Beinen. Der Druck im Kopf wuchs, er kochte vor Wut und fürchtete, jeden Moment zu explodieren und in Atome zu zerfallen. Natürlich wusste er, dass es so etwas nicht gab, aber vielleicht war sein derzeitiger Zustand eine Ausnahme; alles in ihm glich einem unüberhörbaren stummen Schrei, die Panik hatte ihn im Würgegriff, schlimm wie nie zuvor. Lange würde er sich nicht mehr zusammenreißen können, er brauchte Medikamente, Luft, Licht – Hilfe. Er musste aus diesem Keller raus, um jeden Preis, egal wohin, selbst ein Grab war verlockender als diese Qual.
Ein Gedanke schoss ihm durch den Kopf, der klarer war als all die anderen, Kara fiel ein, dass er vor dem Betreten des Gebäudes Dialar genommen hatte. Vielleicht würde die Wirkung bald einsetzen, vielleicht könnte er bald sprechen, anrufen. Er lief nocheine Weile umher und beschloss dann, einen Versuch zu unternehmen.
Das Handy heraus und den Notruf wählen – 999.
Kara versuchte zu sprechen, aber die Wörter kamen undeutlich heraus und in der falschen Reihenfolge, und seine Kraft reichte nicht aus, sie zu korrigieren und zu ordnen.
Manas stand an der Kellertür und beobachtete durch den Spion fasziniert, wie Kara in dem dunklen Raum auf und ab ging und immer wieder die Augen zusammenkniff. Ein echter Verrückter. Würde er im Verlauf der nächsten Minuten mit ansehen können, wie ein Mensch psychisch zusammenbrach?
***
Das COBR-Komitee Großbritanniens kam schon den vierten aufeinanderfolgenden Tag im Beratungsraum der unterirdischen Stadt zusammen. Ein großer Teil der wichtigsten Politiker und Beamten des Landes kämpfte gegen die Müdigkeit an, als Muntermacher dienten Kaffee, Tee, Energydrinks und das Adrenalin, das wegen der immer angespannteren Lage in den Kreislauf gepumpt wurde. Sie mussten ständig verfügbar sein.
»Haben die Einheiten schon ihre Positionen bezogen?«, fragte der Premierminister, dessen Augen von den durchwachten Nächten gerötet waren.
Der Oberkommandierende der Streitkräfte war auf dem Laufenden. »Die Fregatte HMS Lancaster folgt dem nordkoreanischen Frachtschiff MS Mu San sozusagen auf Tuchfühlung, und der Pacific Hero ist die HMS Portland auf den Fersen. Die
Black Troop
der M Sqadron des Special Boat Service, ein auf Angriffe gegen Schiffe von Hubschraubern aus spezialisiertes Anti-Terrorkommando, ist einsatzbereit, ebenso die gemeinsame X Sqadron von SAS und SBS, deren Spezialität die Terrorismusbekämpfung ist.«
»Der Kommandant der HMS Lancaster hat das nordkoreanischeSchiff aufgefordert, im Hafen von A Coruňa in Spanien festzumachen. Wir haben gemäß einem Beschluss des UN-Sicher heitsrates das Recht, zu überprüfen, ob sich auf dem Schiff Waffen befinden. Dieser Beschluss verbietet sowohl den Export von Waffen aus Nordkorea als auch ihre Einfuhr in das Land. Es wurden auch drei Sabre-Sqadrons des SAS-Regiments 22 nach A Coruňa geflogen, insgesamt hundertzweiundachtzig Mann, für den Fall, dass an Land etwas passiert«, sagte der Verteidigungsminister.
Der Außenminister runzelte die Brauen. »Das ist eine ziemlich gewagte Interpretation des Sicherheitsratsbeschlusses, schließlich werden darin keine militärischen Angriffe erlaubt, an sich ist die Anwendung von Gewalt in allen Fällen verboten. Wir können nur darum bitten, dass dieses Schiff in den Hafen einläuft.«
Die Tür des Beratungsraumes ging auf, alle Anwesenden schauten auf den Mann, der hereinkam, und folgten ihm mit ihren Blicken. Der Stabschef des Premierministers ging zu seinem Vorgesetzten und reichte ihm Unterlagen. Der Gesichtsausdruck des jungen Regierungschefs wurde noch angespannter, als er sie las.
»Sind die schon
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