Weiss
Ein Laser der US-Air-Force, ein Advanced tactical Laser, der in eine Boeing 737 passt und aus der Luft feuert, ist so gut wie einsatzbereit. Auch China hat seine Hochenergielaser erprobt, indem es über sein Territorium fliegende amerikanische Satelliten geblendet hat. Und die Russen, so nimmt man an, entwickeln einen bodengestützten Laser, der Satelliten blendet oder zerstört.«
Der Leiter der Aufklärungsabteilung der Streitkräfte DIS ergänzte:»Eine derart wirkungsvolle Laserwaffe mit einer Leistung im Gigawattbereich hat noch niemand entwickeln können, nicht einmal als Prototyp. Aber alle großen Staaten streben das an. Dem Laser gehört die Zukunft in der Kriegsführung, ein Laser mit ausreichender Leistungskraft wird Raketenabwehrsysteme überflüssig machen und kann sogar Satelliten abschießen.«
Der Verteidigungsminister nickte. »Eine Waffe, die fähig ist, Raketen in der Luft zu zerstören, wäre die wichtigste waffentechnologische Erfindung seit Jahrzehnten. Über Raketen verfügen heutzutage außer den Großmächten auch viele instabile Länder: der Iran, Nordkorea, Pakistan, China …«
»Was genau wurde aus Sellafield mitgenommen?« Der Premierminister sprach jetzt lauter.
»Aus der strategischen Reserve der seltenen Elemente und Metalle wurden sechzehn verschiedene Stoffe gestohlen, insgesamt zehntausend Kilo. Ich habe eben die Liste erhalten«, sagte der Chef der Firma BNFL, die Sellafield verwaltete. »Die größte Menge wurde vom Iridium mitgenommen, sechstausend Kilo, das entspricht etwa der Weltproduktion von zwei Jahren.«
»Sind Iridium und die anderen Materialien für die Herstellung einer Laserwaffe irgendwie wesentlich?«, erkundigte sich der Premier.
Es dauerte eine Weile, bis sich jemand fand, der eine Antwort geben konnte. Das lebhafte Gesicht des Generaldirektors des Defence Science and Technology Laboratory erschien auf der Lagetafel. »Was das Iridium angeht, ist die Antwort klar, derzeit kann man es nicht auf dem freien Markt beschaffen. Die Weltvorräte an Iridium wurden im Laufe des letzten Jahres aufgekauft. Iridium hält extreme Bedingungen aus, es ist äußerst hart und das zweitdichteste sowie korrosionsbeständigste Element. Sein Schmelzpunkt liegt bei unglaublichen 2419 Grad Celsius, und auch Säuren vermögen es nicht aufzulösen. Für Iridium gibt es in einer Laserwaffe viele Einsatzmöglichkeiten.«
Für eine Weile herrschte Schweigen, das Betha Gilmartin schließlich brach. »Nur wenige von uns werden sich daran erinnern, dass die Sowjetunion schon in den achtziger Jahren am Projekt einer Laserwaffe arbeitete. Präsident Reagans Pläne vom Krieg der Sterne hatten die Sowjets so sehr erschreckt, dass sie eine Forschungsgruppe gründeten, deren Aufgabe darin bestand, eine Weltraumwaffe namens Poljus Skif zu entwickeln. Der große sowjetische Satellit sollte einen hochwirksamen Laser enthalten, der imstande wäre, die künftigen Raketenschilde der USA zu zerstören.«
»Das Iridium und diese anderen Elemente wurden weder auf der ›Pacific Hero‹ noch auf der ›MS Mu San‹ gefunden«, sagte der Oberkommandierende der Streitkräfte nach einem Moment der Stille. »Sie müssen in dem russischen U-Boot sein.«
»Ist die ›HMS Astute‹ ihm noch auf den Fersen?«, fragte der Premierminister.
Der Oberkommandierende nickte. »Die Schiffe erreichen die Gewässer vor Kaliningrad und die russischen Territorialgewässer in ein paar Stunden. Die Zeit droht uns davon zu laufen.«
»Was können wir tun?« Die Stimme des Premierministers stieg erneut um eine Oktave an.
»Nichts«, antwortete der Verteidigungsminister. »Der Versuch, ein russisches Atom-U-Boot nur deshalb zu stoppen, weil es an sich ungefährliche Elemente und Metalle transportiert, wäre blanker Wahnsinn. Die Region Kaliningrad ist außerdem die am stärksten militarisierte Zone der Russischen Föderation, dort befindet sich ein beachtliches Arsenal taktischer Kernsprengköpfe.«
»Auf jeden Fall können wir es ja über diplomatische Kanäle probieren«, schlug der Außenminister vor. »Wir setzen Russland auf allen Ebenen unter Druck.«
Der Verteidigungsminister lachte.
***
Kara fuhr auf der Autobahn M1 in der Nähe von Leicester nach Norden und dachte darüber nach, was Mundus Novus mit dem selbstgewählten Namen ausdrücken wollte. Mundus Novus, die Neue Welt, war ein Brief des Forschungsreisenden Amerigo Vespucci, in dem er von seiner Reise nach Südamerika in den Jahren 1501–1502 berichtete,
Weitere Kostenlose Bücher