Weiss
Brdo, der immer näher kam.
Der Fahrer hielt vor einer riesigen Villa an, Kati Soisalo bezahlte, stieg aus und stand mit ihrer Tasche auf dem Fußweg.
Sie kam sich plötzlich sehr einfältig vor. Den Garten umgab eine drei Meter hohe Mauer, hinter dem eisernen Tor stand ein Wächter, und an den Hauswänden waren Überwachungskameras zu sehen. Wie zum Teufel wollte sie denn da hineinkommen? Als sie im Garten Kindergeschrei hörte, trat sie ans Tor heran. Mehrere Terrassen, Balkons, gewaltige Zedern, Rosenbüsche, Zierpflanzen und eine Beregnungsanlage, deren zarter Wasserschleier in den Regenbogenfarben glitzerte. Im Nachbarhaus hatte, nach dem Wappen an der Wand und der flatternden Fahne zu urteilen, eine Botschaft ihr Quartier. Im Garten der Villa spielten zwei gut gekleidete Mädchen im Vorschulalter, die von einem Leibwächter und einer grauhaarigen Frau bewacht wurden. Und auf einem Liegestuhl unter einem Sonnenschirm ruhte Bogdan Bojanić miteiner Zeitung in den Händen. Kati Soisalo hatte Fotos des Mannes im Internet gesehen und erkannte ihn sofort an seinem mächtigen Haarschopf und der Hakennase.
Kati Soisalo räusperte sich und winkte den Wächter heran, der hinter dem Tor stand, die Hände in den Taschen. »Ich möchte Bogdan Bojanić sprechen.«
Der tätowierte Mann in Jeans und kurzärmligem Hemd legte eine Hand auf die Pistolentasche am Gürtel und fragte in einem Englisch mit starkem Akzent: »Ist das ein vereinbartes Treffen?«
»Nein, aber die Angelegenheit ist wichtig.«
»Rufen Sie die Sekretärin an und lassen Sie sich einen Termin geben«, entgegnete der Wächter in abweisendem Ton und wandte ihr den Rücken zu.
»Bogdan Bojanić!«, schrie Kati Soisalo aus vollem Halse. »Ich will mit dir über meine verschwundene Tochter reden! Willst du das hier im Garten tun oder im Haus?«
Der Wächter stürzte zum Tor, warf dabei einen Blick nach hinten zu seinem Herrn und wusste nicht, was er machen sollte. Anscheinend war das für den Bediensteten der serbischen Mafia der erste derartige Fall. Ein Mann mit gebeugtem Rücken, der seinen Hund ausführte, blieb verwundert neben Kati Soisalo am Tor stehen, um zu sehen, was hier im Gange war.
»Bogdan Bojanić! Ich will mit dir über die Balkan-Route reden. Und über meine Tochter. Über die verschwundenen Kinder und den Menschenhandel. Ich kann ohne weiteres auch den ganzen Tag hier stehen und schreien«, brüllte Kati Soisalo und bemerkte, wie nebenan in der Botschaft jemand auf dem Balkon erschien.
Wutentbrannt lief Bojanić zum Tor. »Wer bist du, verdammt noch mal? Soll ich die Polizei rufen?«
»Die hat mich ja hierhergeschickt. Oder zumindest haben sie deinen Namen erwähnt.«
Bojanić öffnete das Tor und packte Kati Soisalo am Arm. Er führte den Störenfried in die Villa, die massive Marmortreppehinauf in sein Arbeitszimmer und stieß sie rabiat auf einen Stuhl. Dann holte er aus und schlug ihr mit der flachen Hand ins Gesicht.
»Meine Tochter ist vor drei Jahren in Dubrovnik verschwunden. Gestern wurde sie in Belgrad gesehen.« Kati Soisalo stieß die Worte hervor und spuckte dabei Blut.
»Du schwachsinnige Hure. Wie ist dein Name?«, brüllte Bojanić rasend vor Wut, während der Chef seiner Bodyguards das Zimmer betrat.
Kati Soisalo holte aus ihrer Tasche eine Visitenkarte, zögerte aber. Danach gäbe es kein Zurück mehr. Sie hielt Bojanić die Karte hin und schaute ihn mit entschlossener Miene an. »Wie kannst du lächelnd mit deinen Töchtern spielen, während zur gleichen Zeit deine Leute die Kinder anderer Menschen rauben und mit ihnen Geschäfte machen?«
Die Hände in den Hüften stand Bojanić einen Schritt von Kati Soisalos Stuhl entfernt und sah so aus, als würde er gleich wieder zuschlagen. »Bist du Hure aus irgendeiner Anstalt ausgebrochen? Du kommst einfach hierher in das Haus von Bogdan Bojanić, um irgendwelche Anschuldigungen vorzubringen. Hast du gar keinen Selbsterhaltungstrieb?«
»Dimitri Arbuzow«, sagte Kati Soisalo, und die Drohungen von Bojanić hörten schlagartig auf.
»Ich weiß von eurer Zusammenarbeit«, fuhr sie fort und hoffte aus tiefstem Herzen, dass Paranoids Informationen stimmten. Er war sich selbst nicht sicher gewesen, ob sie als zuverlässig gelten konnten. Dem Vernehmen nach hatte ein serbischer Cracker-Kollege die Information über die Zusammenarbeit von Arbuzow und Bojanić im Datensystem des serbischen Innenministeriums und auf dem Computer des Kriminalreporters der Zeitung »Blic«
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