Weiss
Universität, an der Pianini arbeitet, auf dem Flughafen oder irgendwo anders wird man also zwangsläufig Bilder von Manas finden.«
Betha Gilmartin wirkte nun etwas hoffnungsvoller. »Na, dann los, heb deinen Arsch und dirigiere dein Orchester.«
***
Der Verkehrslärm auf dem Terazije-Platz im Herzen Belgrads klang im Hotel »Moskva« wie ein gleichmäßiges Rauschen. Kati Soisalos Absätze klapperten auf dem Parkett ihres Zimmers, als sie zur Minibar ging, eine kleine Flasche Weißwein öffnete und sich ein Glas halbvoll eingoss. Sie hatte Angst vor dem, was sie erfahren würde, wenn das Telefon irgendwann endlich klingelte.
Jonny sollte alles, was er konnte, über den Menschenhändler Bogdan Bojanić herausfinden, den ganzen Dreck, den der Mann am Stecken hatte. Wenn jemand das schaffte, dann Jonny. Immerhin war der Cracker vor etwa zwei Jahren in das Datensystem des Pentagon eingedrungen und hatte es zum Absturz gebracht, und das nur, um seinen »Nick« P@r@noid und eine Nachricht zu hinterlassen, in der er gegen das Gefangenenlager in Guantanamo und die US-Außenpolitik protestierte. Das hatte ihm mehrere Gerichtsverfahren eingebracht, das letzte war erst im Frühjahr zu Ende gegangen, als die Administration von Barack Obama das unter Präsident Bush eingeleitete Ersuchen um die Auslieferung von Paranoid in die USA zurückgezogen hatte.
Dann klingelte das Handy endlich, Jonny war am Apparat.
»Die Adresse von Bogdan Bojanić habe ich schnell herausgekriegt, aber andere Informationen über den Mann ließen sich einfach nicht finden. Auf elektronischem Wege kommt manüberhaupt nicht an ihn heran, er besitzt weder ein Handy oder E-Mail-Adressen noch Kreditkarten, nicht einmal Bankkonten. Ich musste Verbindung zu zwei … Kollegen aufnehmen. Die Besten von uns haben zuweilen Kontakt untereinander … wir tauschen manchmal Informationen aus.«
»Nun rück schon raus damit. Hast du etwas in Erfahrung gebracht, was mir helfen könnte?«, erkundigte sich Kati Soisalo nervös.
»Ich will nicht, dass du auch nur in die Nähe von Bojanić kommst. Hast du ernsthaft die Absicht, einen serbischen Menschenhändler zu erpressen? Während des Krieges in Kroatien und Bosnien war Bojanić Mitglied der paramilitärischen Arkanovci-Milizen, die Tausende Menschen abgeschlachtet haben. Nach dem Krieg hat er sich der kriminellen Organisation Voždovac angeschlossen und ist heute einer der Hauptorganisatoren der Balkan-Route.«
»Ich will einfach nur wenigstens einen Menschen sehen, der für Vilmas Verschwinden verantwortlich ist. Ich will jemanden treffen, der weiß, was mit Vilma passiert ist. Bojanić wird ja wohl kaum jeden seiner Gesprächspartner umbringen«, sagte Kati Soisalo, um Paranoid zu beruhigen. Allerdings kamen angesichts dieser Informationen auch bei ihr Zweifel auf, ob ihr Vorhaben vernünftig war.
»Wenn Bojanić in dir eine Bedrohung sieht, dann ist ihm alles zuzutrauen, glaub mir. Naša Stvar – die serbische Mafia – spart wahrhaftig nicht beim Pulver, die Liste der Morde, die auf ihr Konto gehen, ist unglaublich lang. In Serbien werden Polizisten und auch Politiker einfach so umgebracht, von Kriminellen ganz zu schweigen.«
»Was hast du herausgefunden, Jonny? Sag es mir«, bat Kati Soisalo mit all ihrer Überzeugungskraft.
»Ich sage es dir, wenn du mir versprichst, vorsichtig zu sein.«
Sie versprach es ihm und erhielt die Informationen sowie dieAdresse von Bojanić. Dann brach sie das Telefongespräch ab, damit es Jonny nicht gelang, sie doch noch umzustimmen. Sie wusste selbst, dass ihr Vorhaben waghalsig war, aber sie weigerte sich, darüber nachzudenken. Es war Zeit, zu handeln.
Kati Soisalo nahm ihre Schultertasche von der Garderobe, verließ eilig das Hotel, winkte auf dem Terazije-Platz ein vorbeifahrendes Taxi heran und sagte die Adresse.
»In was für einem Stadtteil liegt diese Straße? Ist das weit entfernt?«, fragte sie.
»Dedinje ist die teuerste Gegend in Belgrad, da wohnt nur die Crème de la Crème, Diplomaten und die Promis der Stadt. Es gibt dort viele große Villen, Herrenhäuser, Botschaften und zwei ehemalige königliche Paläste. Von hier sind es knapp zehn Kilometer, aber wir kommen auf der Straße Kneza Miloša fast ans Ziel.« Der junge Fahrer sprach gut Englisch. Es stellte sich heraus, dass er an der Universität studierte und sich mit Taxijobs seine Miete verdiente. Kati Soisalo spürte, dass ihre Angst im selben Tempo größer wurde wie der Hügel Topčidersko
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