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Weiss

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Titel: Weiss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Taavi Soininvaara
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geschrieben und war dann verschwunden, ohne Kati zu wecken. Er hatte nicht die geringste Ahnung, geschweige denn einen Plan, wie er erreichen wollte, dass der Besitzer des Feriendorfes die Aufzeichnungen herausrückte, die Ukkola erwähnt hatte. Irgendwie würde er sich durchlavieren, je nachdem, wie das Treffen verlief.
    Kara klopfte eine Weile an die Tür des Hauptgebäudes und klingelte auch, aber es war nichts zu hören. Er ging um das Gebäude herum, bemerkte die angelehnte Tür, betrat die große Küche und lauschte. Nichts. Im Foyer wuchs seine Verblüffung noch, hier sah es aus wie nach einem Wirbelsturm. War das Feriendorf letzte Nacht auf Anordnung des Kabinettsmitglieds, das mit Ukkola geredet hatte, geräumt worden? Jetzt ließen sich die Räume leicht durchsuchen, aber würde er noch etwas finden?
    Im Erdgeschoss befanden sich neben der Küche und dem Foyer nur Wohnräume. Schaute man sich die Poster an der Wand unddie zurückgebliebenen Sachen in den Badezimmern, Schränken und Schubfächern an, dann hatten hier offensichtlich junge Frauen gewohnt. Es war nicht schwer, zu schlussfolgern, wofür man die von Krylow und Arbuzow nach Finnland geschmuggelten osteuropäischen Mädchen hierhergebracht hatte. Das Büro musste im Obergeschoss ein, die von Ukkola erwähnten Aufzeichnungen wurden sicher dort aufbewahrt. Kara kam bis zum ersten Treppenabsatz, dann hielt er inne.
    Dieser Geruch. Den hatte er in seinem ganzen Leben nur wenige Male wahrgenommen, aber stets in Situationen, die er nie vergessen würde: Im Oktober 1989, später auf einem Londoner Schießstand, einmal auf einer Dienstreise in Nigeria, und im Frühjahr letzten Jahres erst im Sudan und dann in Finnland. Hier hatte jemand geschossen. Kara lauschte und hörte die Stille des Hauses und seinen Herzschlag, der immer lauter wurde. Schließlich lief er mit großen Schritten die Treppe hinauf bis ins Obergeschoss und blieb stehen. Vier Türen, von denen zwei offen standen. Die Gardinen mussten zugezogen sein, weil es im Foyer hier oben dunkler war als unten. An der Wand hingen alte Gebrauchsgegenstände: eine Bügelsäge, Kupferpfannen, Brotschieber, hölzerne Suppenlöffel …
    Kara hielt den Atem an, als sich auf dem Fußboden etwas bewegte. Er kniff die Augen zusammen, kauerte sich hin und beugte sich dem nächstgelegenen Zimmer zu, um besser zu sehen, was da auf dem Boden kroch. Es wurde größer … floss … das war eine Flüssigkeit …
    Im selben Moment, als ihm klar wurde, dass er auf eine Blutlache starrte, griff er nach der einen Meter langen Handwaage, die an der Wand hing. Er konnte die schwere Eisenstange noch hochheben, als ein Mann in einem grünen Anzug das obere Foyer betrat und eine Pistole auf ihn richtete, die von den Resten einer Plastiktüte bedeckt war. Die Waage rauschte durch die Luft und traf die Hand des Mannes mit der Waffe, der Knochen knackte.Kara warf sich auf die heruntergefallene Pistole, ergriff sie und bekam einen Tritt an die Schläfe. Ihm wurde schwarz vor Augen, aber die Waffe hatte er immer noch in der Hand, er rollte sich auf die Seite, das Gesicht zum Feind, drückte den Abzug und feuerte wahllos um sich. Ein Fenster splitterte, ein zweiter Schuss traf irgendetwas Weiches, der dritte und vierte schlugen in der Wand ein … Dann packte von hinten jemand seinen Arm mit der Pistole und drehte Kara blitzschnell auf den Bauch, ein Knie presste sich in seinen Rücken und um seine Handgelenke spannte sich etwas Kaltes und Straffes.
    Manas ging zu den Fenstern, zog die Gardinen auf und die Kapuze vom Kopf. Kara schaute in die dunklen Augen des kirgisischen Auftragskillers und empfand rasende Wut und abgrundtiefen Hass. Im Oktober 1989 war er Zeuge gewesen, als Manas seinen Vater folterte, und im Frühjahr letzten Jahres hatte er zusehen müssen, wie der Mann die Sicherheitsberaterin Katarina Kraus und den sudanesischen Oberst Baabas erschoss. Und nun würde er in das Gesicht dieses kirgisischen Mörders schauen, wenn sein letztes Stündchen schlug.
    Kara warf einen Blick in das Zimmer. Hinter der Tür sah er auf dem Fußboden einen Toten oder genauer gesagt seine Beine, und auf dem Fernsehbildschirm lief eine Szene, die in einem der Zimmer des Erdgeschosses aufgezeichnet worden war und wie ein deutscher Pornofilm aus den siebziger Jahren wirkte.
    »Man hätte dich schon damals umbringen sollen«, sagte Manas auf Russisch, setzte sich an den Schreibtisch und legte die MP-446 Viking vor sich hin.
    »Warum hast du es

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