Weiss
einen reißfesten und absolut fusselfreien Schutzanzug, eine Kommandokapuze, eine Schutzbrille, Armeehandschuhe aus Leder und Kevlar- und Nomexfasern, die vor Schnittwunden und Stichen von Injektionsnadeln schützten und über vierhundert Grad Celsius aushielten, und niedrige Stiefel mit glatter Sohle. Die mit Gummiband versehenen Ärmel des grünen Schutzanzugs waren mit Tape an den Handschuhen und die Hosenbeine an den Stiefeln festgeklebt. Ein Nachtsichtgerät brauchte er nicht, in diesem seltsamen Land war es morgens um sechs Uhr schon hell.
Er wartete im Schutz der Bäume. Auch diese Aktion würde nicht vollkommen nach Plan verlaufen, das wusste er jetzt schon. Das Feriendorf wurde immer noch evakuiert, obwohl man ihm versichert hatte, dass nach vier Uhr morgens nur der Eigentümer anwesend sein würde. Diese Verzögerung überraschte Manas jedoch nicht sonderlich, unvorhergesehene Ereignisse ließen sich in seinem Beruf nicht vermeiden. Wie man damit zurechtkam, das unterschied den Profi von den Amateuren. Und wenn jemand ein Profi war, dann er.
Die beste Methode für ein perfektes Gewaltverbrechen bestand darin, den Tod so zu tarnen, dass er wie ein Unfall aussah. In den seltenen Fällen wie jetzt, in denen dafür keine Zeit blieb, war es am wichtigsten, dafür zu sorgen, dass die Leiche niemals gefunden wurde. Das Sicherste war natürlich, wenn sie gar nicht gefunden werden konnte, deshalb zog es Manas vor, sie nicht zu verstecken, weder im Ganzen noch in einzelnen Teilen. Er kanntedie effektivsten Methoden. Die schon bald anfallende Leiche würde er in Säure auflösen. Die Flüssigkeiten, die man dafür benötigte, befanden sich im Kofferraum des Mietwagens.
Der Auftrag war überstürzt erteilt worden, er hätte nicht einmal in Erwägung gezogen, ihn auszuführen, wäre er nicht von jemandem gekommen, der bei Mundus Novus eine hohe Position innehatte. Bis zum Höhepunkt der Sellafield-Operation waren es nur noch knapp zwei Tage, und er hockte vor Kälte bibbernd in der finnischen Einöde im Wald. Der Sellafield-Plan war zwar fertig, aber er müsste für den Fall, dass Probleme auftraten, erreichbar sein. Manas wunderte sich einmal mehr über die Rolle, die das Kabinett spielte. Warum befand es sich im kleinen und abgelegenen Finnland, und warum war es für Mundus Novus so wichtig? Er wusste nicht genau, was das Kabinett tat, aber es musste für das Erreichen des Endziels von Mundus Novus eine existentielle Bedeutung haben. Sonst hätte man ihn nicht hierher beordert.
Endlich ruckte der Bus an, der auf dem Hof des Feriendorfes stand, und fuhr los. Manas griff nach der Pistole, einer russischen MP-446 Viking, zog eine durchsichtige Plastiktüte darüber und klebte sie am Ärmel des Schutzanzugs fest. Er war bereit.
Das zweistöckige Hauptgebäude befand sich in einem genauso schlechten Zustand und war genauso nichtssagend wie die anderen Gebäude des Feriendorfes. Natürlich hätte er das Haus und seine Umgebung vor der Operation gründlich untersuchen müssen, aber dafür blieb keine Zeit. Er war gezwungen, das Objekt blind zu betreten.
Es gab drei Türen; er wählte jene, die in die Küche führte, weil er durch die Fenster sah, dass dieses Zimmer leer war. Sie öffnete sich leise, er blieb stehen und lauschte. Der Heizkörper summte, andere Geräusche waren nicht zu hören. Er ging vorsichtig ins Foyer. Auf dem Fußboden lagen übereinandergeworfene Teppiche und überall verstreut Kleidungsstücke, die Zimmertüren standen sperrangelweit offen. Niemand.
Manas betrat die Treppe, die ins Obergeschoss führte, sie knarrte unter seinem Gewicht, und im selben Augenblick war oben etwas zu hören. Mit ein paar Sätzen stürmte er die Treppe hinauf, stoppte zwei Meter vor dem Eigentümer des Feriendorfes, der ihn entgeistert anschaute, schoss ihm eine Kugel durch das Stirnbein in den Lateralventrikel des Frontallappens und eine zweite durch das Sternum ins Herz.
Das war problemlos abgelaufen, diesmal hatte er Glück. Er wühlte die Schränke und Regale im Büro durch und fand das Gesuchte, nachdem er das Schloss der Schreibtischschublade aufgebrochen hatte. Es dauerte eine Weile, bis die externe Festplatte an den DVD-Player angeschlossen war und ein Bild auf dem Monitor des LCD-Fernsehers erschien.
Plötzlich hörte man im Erdgeschoss Schritte.
Leo Kara fuhr mit Kati Soisalos Smart auf den Hof des Feriendorfes Hormajärvi. Früh um sechs war er aufgewacht, hatte Gilbert Birou einen Bericht
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