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Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition)

Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition)

Titel: Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carola Herbst
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holte Franz tief Luft und ließ seiner Stimmung freien Lauf. „Dieser verdammte Idiot, was denkt der sich überhaupt, mich zu verdächtigen!“
    Ernst machte nur eine hilflose Geste. „Mich hat er auch nicht gerade gut aussehen lassen“, stellte er fest. „Ich kam mir ziemlich stupide vor. Das ist ein ganz Ausgebuffter, ist vermutlich mit allen Wassern gewaschen, wie man so schön sagt.“
    „Ja, du hast recht. Vor dem fühlt sich jeder Befragte schuldig, auch wenn er das reinste Gewissen der Welt hätte.“
    „Ich habe es genauso empfunden“, bestätigte Ernst. „Und? Was machen wir jetzt?“, wollte er wissen.
    Franz zuckte die Achseln und sah auf seine Uhr. „Wir haben gut eine Stunde Zeit“, meinte er und schaute sich suchend um. „Ist das Zergliederungshaus weit von hier?“
    „Nein, es steht am Alten Markt, keine zehn Minuten Fußweg von hier.“ Ernst setzte sich auch schon in die Richtung in Bewegung, in die er gewiesen hatte.
    „Lass uns etwas trinken?“, schlug er vor. „Ich bin völlig ausgedörrt!“
    Franz stimmte zu, gepeinigt von seinem schlechten Gewissen, weil er Ernst nach einem anstrengenden Vormittag in Anspruch genommen hatte, ohne auf die Befindlichkeiten des Arztes Rücksicht zu nehmen oder auch nur nach seinen Wünschen gefragt zu haben.
    „Aber diesmal geht die Runde auf mich, darauf bestehe ich“, sagte er. Der Versuch, entspannt zu wirken, misslang kläglich.
    Ernst schob ihn in eine kleine Kneipe, von der er zumindest wusste, das Bier dort sei trinkbar. Beide ließen sich auf gegenüberstehende Bänke fallen. Ernst übernahm die Bestellung.
    „Mein Gott, ich habe mir den Tag wirklich anders vorgestellt“, knüpfte Franz an. „Eigentlich wollte ich mir von dir den Namen der Dame sagen lassen, von der ich gewiss einige aufschlussreiche Dinge hätte erfahren können. Aber nun ist alles nur noch Makulatur.“
    Die Bierkrüge wurden aufgetragen. Man löschte seinen Durst. Ernst wischte sich den Schaum vom Mund und fragte möglichst beiläufig: „Von welcher Dame redest du?“
    „Na die mit dem Rezept, du weißt schon!“, entgegnete Franz in einem Ton, als sei es für Ernst die selbstverständlichste Sache der Welt, als brauche er nur die Patientenakten aus seinem Gedächtnis abzurufen, und müsste sofort eine Antwort parat haben. Für Franz war Johanns Liebste ein Phantom geblieben. Selbst die Geschichte mit der Nonne fand er ziemlich fragwürdig.
    „Nein! Ich kann mich nicht ... Ach, du denkst, ... aber das war keine Dame!“, protestierte Ernst.
    Franz winkte ab. „Ja, ja, ich weiß. Sie ist Nonne.“
    Ernst, der gerade getrunken hatte, prustete in seinen Krug und stellte ihn ruckartig ab. Kaum hatte er den Hustenanfall überwunden, entrüstete er sich: „Wie kommst du darauf?“
    Nun wurde Franz hellhörig. Ungläubig fragte er nach: „Soll das etwa heißen, dein Patient war weder eine Dame noch eine Nonne?“
    Ernst nickte nur und schaute Franz, dem der Mund offen stand und die Schultern herabhingen, mitfühlend an.
    „Der Tag hat wirklich vielversprechend begonnen“, stellte Franz resigniert fest. Er starrte auf die Bierpfützen auf der Tischplatte und brummelte vor sich hin. „Mir bleibt wirklich nichts von dem, was ich mir mühsam zurechtgelegt habe.“
    „Könntest du dich herablassen, mich einzuweihen? Ich bin zwar Arzt, aber verlange nicht von mir, Gedanken lesen zu können.“
    „Entschuldige, Ernst. Das Verhör vorhin, die bevorstehende Leichenschau und deine Richtigstellung haben gerade mein Kartenhaus Hoffnung einstürzen lassen.“
    Fakten, dachte Ernst, hier helfen nur Fakten. „Der Patient ist ein gewisser Frieder Küfer, offensichtlich ein Kommilitone von Johann“, erklärte er.
    „Was? Wie heißt der? Küfer?“
    Erfreut konstatierte Ernst, er habe Franz’ Interesse wecken können. „Ja! Du kennst ihn?“, fragte er erleichtert.
    „Nein. Das nicht. Aber mein Bruder erwähnte den jungen Mann in seinem letzten Brief. Küfer gab ihm Nachhilfe in Chemie. Kannst du mir sagen, wo er Wohnung genommen hat?“
    „Ah, Chemie! Ich mochte das Fachgebiet auch nicht, aber die geheimnisvollen Prozesse zwischen den Stoffen in Wechselwirkung mit dem menschlichen Körper sind in der Medizin äußerst wichtig.“ Ernst brach ab, als er Franz’ Miene sah. „Äh, ich schweife schon wieder ab“, meinte er entschuldigend. „Nein, Herr Küfer sah ehrlich gesagt so aus, als ob er nirgendwo einen festen Platz zum Schlafen habe. Aber mich beschäftigt etwas

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