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Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition)

Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition)

Titel: Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carola Herbst
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spürte nicht übel Lust, die grausige Gesellschaft des Enthaupteten auf der Stelle loszuwerden, aber er wollte nicht unhöflich sein, denn Ernst unterhielt sich noch mit dem Professor. Als Franz das Gespräch verfolgte, sträubten sich ihm die Nackenhaare. Er hätte seinen neuen Freund gern zu einem herzhaften Essen eingeladen, auch ein, zwei Schnäpse folgen lassen, aber Ernst schien Besseres vorzuhaben.
    Mediziner lassen wirklich keine Gelegenheit aus, an Leichen herumzuschnippeln, dachte er. Es blieb ihm unerklärlich. Die Idee, Ernst wolle ihm zuliebe die näheren Umstände der mörderischen Tat ergründen, kam ihm nicht im Entferntesten in den Sinn.
    Ein verräterisches Geräusch drang in die einträgliche Stille, die zwischen den Medizinerkollegen geherrscht hatte.
    Franz zog sofort die Augenbrauen hoch. „Ernst, meinst du wirklich, du könntest den Nachmittag, noch dazu bei deinem Vorhaben, überstehen ...“ – er sah in Richtung Leiche, schluckte und fuhr fort – „... ohne etwas Handfestes gegessen zu haben?“
    Ernst war sich der Standfestigkeit seines Magens offenbar auch nicht sicher, er schaute den Professor verstohlen von der Seite an.
    Josephi bemerkte es und kam zu einem äußerst erfreulichen Schluss. „Ah, verehrter Herr Kollege, wie ich vernehme, haben Sie noch nicht gespeist“, sagte er, während sein prüfender Blick über seinen jungen Kollegen wanderte. „Wir müssen ohnehin auf den Vertreter des Gerichts warten. Wenn ich es recht bedenke, habe ich auch noch eine Kleinigkeit zu erledigen und schlage deshalb vor, wir treffen uns hier wohlgestärkt in einer guten Stunde wieder?“
    „In einer Stunde stehe ich zur Verfügung“, versicherte Ernst.
    Die jungen Männer verabschiedeten sich erleichtert und strebten der nächsten Gastwirtschaft zu.
     
    „Was empfehlen Sie uns, guter Mann?“ Franz hatte sich so weit gefasst, auch war er ausreichend hungrig, um sich über eine reichhaltige Portion guten Essens aufrichtig freuen zu können. Der Wirt, mürrisch über die verspäteten Gäste, die um eine ungewöhnliche Stunde unbedingt noch tafeln wollten, empfahl selbstredend das teuerste Gericht des Hauses, das – bestimmt wegen des gepfefferten Preises – überhaupt noch zu haben war.
    „Kapaun mi Wurscheln un weischem Brod“, nuschelte er mit eingefallenem Mund, der zahnlos zu sein schien.
    Franz war etwas ratlos. „Fein, das nehmen wir“, sagte er nur, nachdem er Ernst um Übersetzung bittend angesehen, aber nur ein resigniertes Schulterzucken zur Antwort erhalten hatte. „Und dazu bringen Sie uns bitte zwei große Bier und zwei doppelte Korn“, fügte er noch hinzu.
    Der Wirt zog den Mund breit und fragte: „Schwei dobbelde Korn oder schwei Dobbelkorn?“
    Irritiert schaute sich Franz um, doch die anderen Gäste nahmen keinen Anstoß an der Frage, brachen auch nicht in Gelächter aus, sondern sogen genüsslich an ihren Pfeifen, steckten die Nasen in ihre Bierkrüge und trugen das eine oder andere Mal mit sparsamen Bemerkungen zur allgemeinen Unterhaltung bei, die unter Mecklenburgern als angeregt gilt.
    „Das Letztere bitte“, bestellte Franz.
    Als der Wirt fort war, bemerkte Ernst bissig: „Der hätte mal seine Wurscheln sein Leben lang essen sollen, dann hätte er auch noch den Großteil seiner Zähne im Mund.“
    „Ich verstehe überhaupt nichts, ich habe nur Kapaun herausgehört. Was meint der mit Wurscheln?“, fragte Franz unruhig.
    Ernst schmunzelte. „Wir bekommen Karotten zu unserem Braten. Die sind gut gegen Skorbut. Als Beilage hat er Weißbrot oder Weizenbrot gemeint, sicher bin ich mir aber auch nicht.“
    „Und wieso hat er meine Schnapsbestellung zweimal hintereinander genuschelt?“ Erst jetzt bemerkte Franz, er flüstre. Er räusperte sich verlegen und lehnte sich zurück, denn der Wirt war an ihren Tisch zurückgekehrt und verteilte die Getränke. An den kleinen Gläsern erkannte Franz sofort, dass ihm kein Doppelter hingestellt wurde. Er hatte bereits Luft geholt und den Mund geöffnet, um sich zu beschweren, als Ernst ihm kurzerhand vors Schienbein trat. Franz reagierte eher erstaunt als verärgert, hielt sich aber mit seinem Protest zurück, was Ernst wiederum mit Befriedigung aufnahm. Unterdessen verschwand der Wirt in Richtung Küche.
    „Was sollte das“, fragte Franz verständnislos.
    Ernst grinste, nahm sein Glas in die Hand, roch an der farblosen klaren Flüssigkeit, dann prostete er Franz fröhlich zu. Nachdem er den Schnaps hinuntergestürzt

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