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Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition)

Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition)

Titel: Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carola Herbst
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Schneisen in den Getreideschlag. Zwanzig Schnittern klebten die Hemden an den Körpern. Hüte beschatteten ihre verschwitzten Gesichter, aber einmal in den Rhythmus der Bewegungen gefunden mähten sie unermüdlich. Nur hin und wieder unterbrachen sie ihre Arbeit, wenn sie die Sense schärften mussten.
    Nicht weniger anstrengend war die Arbeit der Garbenbinder, die den Schnittern folgten. Sie banden das zu Schwaden gefallene Halmkorn mit Strohseilen und stellten es zu Hocken auf. Die Arbeit erfolgte zum größten Teil in gebückter Haltung. Aber die Frauen, Mädchen und Burschen wetteiferten sowohl untereinander als auch mit dem Schnitter, der ihrer Reihe voranging. Es wäre eine Schande für sie gewesen, mit dem Tempo des Mähens nicht mithalten zu können. Um die Eintönigkeit der Arbeit etwas zu mildern, stimmten die Frauen altbekannte Lieder an.
    Gerade nahm Anne einen Armvoll Gerste und ärgerte sich über eine versteckte Distel, die ihr erbarmungslos die Haut zerkratzt hatte. Sie band das geschickt gewundene Seil unterhalb der Ähren und stellte die fertige Garbe an die Hocke. Sie hörte Pferde wiehern und blickte auf. War schon Vesperzeit?
    Nein, am Feldrain ritt Stein neben dem Grafen her. Sie unterhielten sich, aber Anne verstand kein Wort. An den Gesten der Männer vermutete sie ein angeregtes Gespräch. Enttäuscht wandte sie sich ihrer Arbeit zu und schaute verstohlen zu Helga hinüber, die einen kleinen Vorsprung herausgearbeitet hatte.
    Auch Helga hatte die beiden Reiter bemerkt. In der berechtigten Annahme, die Reiter könnten nicht verstehen, was die Mägde auf dem Stoppelfeld miteinander zu besprechen hatten, fragte sie: „Dieses Jahr ist der Graf zur Ernte hier und nicht der junge Herr. Merkwürdig, nicht?“
    Helga dachte bei ihrer Bemerkung selbstverständlich an Johann von Klotz. Aber Anne wünschte sich dessen jüngeren Bruder auf das stattliche Pferd, das sie sofort erkannt hatte. Der Graf ritt Tizian.
    „Ja, merkwürdig“, gab sie einsilbig zurück. Verbissen versuchte sie den Rückstand aufzuholen und nicht an Franz zu denken.
    Der erste Tag im Korn ist immer der schlimmste, dachte sie.
    Ihr schmerzte der Rücken von der ungewohnten Arbeit. Jedes Mal, wenn sie sich aus gebückter Haltung aufrichtete, glaubte sie, in der Mitte auseinanderzubrechen. Sie schulte sehnsüchtig in Richtung Dorf, ob der Wagen mit Feldverpflegung nicht endlich komme. Aber es war nichts zu sehen, noch nicht einmal eine Staubfahne, die ein Fuhrwerk in der Sommerhitze zu hinterlassen pflegte.
    Rechts neben ihr arbeitete ihre Mutter, die auch noch ein zukünftiges Geschwisterchen mit sich herumtrug. Ihrer Mutter war die körperliche Anstrengung nicht anzusehen. Sie lächelte, als sie Annes Blick auffing. Anne wünschte sich auch einen von jahrzehntelanger Arbeit und vielen Schwangerschaften gestählten Rücken, der nicht gleich schlappzumachen drohte. Sie lächelte zurück und nahm sich vor, der Mutter heute Abend ein angenehmes Fußbad zu bereiten, denn sie spürte unvermittelt das Bedürfnis, ihr etwas Gutes zu tun.
    Anne plagte sich eine weitere Stunde mit den in Reih und Glied liegenden Halmen, ließ sich von Grannen und Unkräutern pieken. Aber die Monotonie der Arbeit war nicht geeignet, sehnsüchtige Gedanken von ihr fernzuhalten.
    Plötzlich hielt der Schnitter vor ihr inne und legte seine lange Sense vorsichtig zu Boden. Anne bemerkte das Gespann, das sie zuvor herbeigewünscht hatte, erst jetzt, nachdem es bereits angekommen war. Sie richtete sich langsam und vorsichtig auf und spürte dabei heftige Schmerzen. Sie fürchtete sogar, den Rücken niemals wieder gerade zu bekommen. Dann beeilte sie sich, zu dem Wagen zu kommen, der bereits von allen Feldarbeitern umringt wurde.
    Kaltes Bier war ein Labsal für ausgetrocknete Kehlen. Anne ließ es genüsslich Schluck für Schluck hinunterlaufen.
    Weidenkörbe, voll gepackt mit Schmalzbroten, gekochten Eiern und Sommerscheiben, wurden heruntergereicht und jeder bediente sich je nach Fassungsvermögen seines Magens und Appetit.
    Eleonore Hagen hatte den Gespannführer begleitet und die Verteilung der Verpflegung übernommen. Sie war froh, ihren Dienst in der Küche ableisten zu dürfen und nicht mit den anderen Frauen auf dem Feld arbeiten zu müssen. Aber noch mehr freute sie sich über Marie, die ihr heute mit der Sprache ihres Körpers zu verstehen gegeben hatte, die Mutter aufs Feld begleiten zu wollen. Glücklich lächelte Eleonore ihrer Tochter zu. Marie

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