Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition)

Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition)

Titel: Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carola Herbst
Vom Netzwerk:
suchen und dabei prüfen, ob Lisa die Gänse und Enten in den kleinen Stall gesperrt habe. In der Nachbarschaft war in den vergangenen Nächten ein Fuchs oder ein Marder unterwegs gewesen und hatte ein Blutbad unter den zwölf Wochen alten Jungenten angerichtet. Sie hatte die traurigen, ihrer Köpfe beraubten Körperchen im Gras liegen sehen und hatte sich bei dem Anblick gefragt, was in dem Räuber vorgegangen sein mochte, als der im Tötungsrausch um sich gebissen hatte. Meinte der schlaue Fuchs, die Dörfler seien so nett, ihm die getötete Beute zu überlassen, damit er sie nacheinander hole. Doch der Gedanke war so abwegig nicht, wie er schien, vielleicht verschonte er dann die anderen gefiederten Stallgenossen. Aber damit war nicht zu rechnen. Ein Tier legt sich seine Vorgehensweise nicht zurecht. Anne hatte gelernt, alle Erdenbewohner als Geschöpfe Gottes zu betrachten. Der Herrgott, so meinte sie, habe sich etwas dabei gedacht, zu den Enten auch den Fuchs zu gesellen. Also war es die Aufgabe ihrer Schwestern, das junge Federvieh vor vierbeinigen Räubern zu beschützen ...
    Ein mächtiger Stoß erschütterte das Fuhrwerk. Anne wurde wie von einem Katapult auf die andere Seite des Wagens geschleudert. Sie fand sich in den Armen eines der Zwillinge wieder. Der Bursche griff instinktiv nach ihr, hielt sie fest, damit sie sich bei ihrem Sturz nicht verletze. Weit aufgerissene, unglaublich blaue Augen starrten sie aus nächster Nähe an und sie spürte den warmen Atem des Jungen an ihrem Hals. Schnell machte sie sich los und setzte sich zurück auf ihren Platz.
    Musste der verfluchte Stein gerade jetzt unter das Rad geraten, dachte sie verärgert . Verlegen schaute sie zu ihrem Gegenüber. Sie konnte nicht sagen, ob sie nun Adam oder Max vor sich habe. Anne bemerkte sein Lächeln, errötete und senkte die Lider. Irritiert über die eigene Wahrnehmung, die den blonden Burschen durchaus anziehend fand, fragte sie sich bange, ob sie zukünftig von jedem gut aussehenden jungen Mann durcheinandergebracht werde.
    Anne spürte plötzlich überdeutlich das nass geschwitzte Hemd an ihren Brüsten kleben. Das Gewebe des groben Stoffes scheuerte an ihren aufgerichteten Brustwarzen. Sie blickte ängstlich an sich herunter und vergewisserte sich, ob ihr einfaches Mieder die Zeichen ihrer Erregung zuverlässig verberge. Scham stieg in ihr auf. Wie konnte sie bei einer einzigen flüchtigen Berührung dem Prinzen ihres Herzens untreu werden? Anne kannte sich selbst nicht mehr. Ihre kleine heile Welt begann zu bröckeln. Sie begriff in dem verstörenden Moment noch nicht, die unschuldige Zeit ihrer Kindheit hinter sich zu lassen.
    Das Dorf kam in Sicht. Die mit roten Ziegeln gedeckte Kirchturmspitze leuchtete im Licht der Abendsonne. Zusammen mit dem satten Grün der Buchen, die ihre Wurzeln durch geweihte Erde gruben, gab das ein prächtiges Farbspiel ab.
    Der Wagen holperte gerade an der Kirchhofmauer entlang, als das Gespann von einer Schar jubelnder und kreischender Kleinkinder in Empfang genommen wurde. Anne hielt Ausschau nach ihren Schwestern. Die Dreijährige entdeckte sie an der Hand der Großtante, die schon zu alt und zu gebrechlich war, um die schwere Erntearbeit zu verrichten. Die Alte konnte sich aber mit ihrem Respekt einflößenden Gehabe noch nützlich machen, übernahm regelmäßig gern die Aufgabe des Kinderhütens. Einige schon etwas größere Kinder unterstützten sie dabei.
    Die Alten saßen vor ihren Katen auf eigens für den abendlichen Plausch gedachten Bänken und winkten den Ankömmlingen zu. Der Wagen rollte auf den Anger und wurde dort vom Gespannführer angehalten. Alt und Jung kam nach einem anstrengenden Arbeitstag zusammen, man begrüßte sich und tauschte Neuigkeiten aus, und wenn sie noch so banal waren.
    Anne holte die Schwestern zusammen und strebte mit den beiden kleinen Mädchen der elterlichen Kate zu. Sie wollte keinesfalls noch einmal den blauen Augen begegnen. In ihrer Hektik, von der Menschenansammlung fortzukommen, gerieten ihre Schritte zu lang und zu hastig für die Kleinste. Helene stolperte, schlug der Länge nach hin, und zog mit ihrem Gebrüll die Aufmerksamkeit des ganzen Dorfes auf sich. Jemand löste sich aus der Menge und kam auf sie zu. Ein blonder Bursche hob das Kind auf, nahm es auf den Arm und tröstete es wiegend. Dabei sang er Helene ein kleines Liedchen vor. Die Kleine vergaß augenblicklich ihr wund geschlagenes Knie und ihre tränenfeuchten Wangen. Sie quietschte

Weitere Kostenlose Bücher