Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition)
erklärt hatte, da hatte sie von den winzigen Häusern gesprochen. Er hatte sich für den Hinweg dann doch für den längeren Weg entschieden. Wohlweislich, wie sich nun herausgestellt hatte. Hinter einem Torweg fand er sich auf bekanntem Pflaster wieder. Es trieb ihn in Richtung Hafen. Franz sehnte sich danach, Johanns kompletten Namenszug in irgendeiner Passagierliste fein säuberlich aufgeschrieben zu finden. Heute wollte er sich nicht von einsilbigen Hafenarbeitern abweisen lassen.
Im Hafenviertel boten grell geschminkte Damen mit eindeutigen Posen ihre Dienste an, obwohl es noch früh am Tage war. Zu jeder anderen Gelegenheit wäre Franz nicht abgeneigt gewesen, die eine oder andere näher in Augenschein zu nehmen, vielleicht sogar in Verhandlung zu treten. Aber heute Morgen hatte er keine Augen für die Frauen, sondern ließ ihre verführerischen Blicke von sich abprallen, ignorierte einfach die Schimpfwörter, die ihm die Verschmähten nachriefen.
Die Straße zum Hafen war abschüssig. Fast ohne eigenes Zutun fiel er in Laufschritt. Er musste aber bald seine Schritte zügeln, wollte er im aufkommenden Gewimmel des Viertels nicht mit anderen Passanten zusammenstoßen. An der nächsten Straßenecke passierte jedoch, was er hatte vermeiden wollen. Sein Opfer massierte sich die Seite. Vermutlich litt der blonde Mann Schmerzen. Franz hatte ihm beim Aufprall ausgerechnet seinen Ellenbogen in die Rippen gerammt.
„Oh, entschuldigen Sie bitte vielmals!“ Franz riss sich den Hut vom Kopf. Sein Gegenüber kam ihm vage bekannt vor.
„Keine Sorge, Herr von Klotz, es ist nicht so schlimm“, erhielt er von dem Gerempelten zur Antwort.
Verblüfft forschte Franz in dem freundlichen Gesicht. Dann fiel es ihm ein: Er hatte den blonden jungen Mann, der ihn sogar beim Namen genannt hatte, in Borgwarts Kontor gesehen. Bevor er ein weiteres Mal an irgendeinen Stoffel geriet, griff er nach der günstigen Gelegenheit: „Ich bin auf der Suche nach dem Hafenkontor. Können Sie mir sagen, wo ich das finde?“, fragte er.
„Begleiten Sie mich einfach, ich bin auf dem Weg dorthin“, schlug der junge Mann vor, der sich als Joachim Wendt vorstellte.
Erfreut, in kundiger Gesellschaft den Weg durch das Hafenviertel fortsetzen zu können, schloss sich Franz seinem neuen Bekannten an. Bald erreichten die Männer die breite Strandstraße, die alle Straßen querte, die zum Hafen führten. In dieser Eigenschaft war sie auch entsprechend belebt. Es war noch ein gemeinsamer Fußmarsch von 10 Minuten zurückzulegen, dann waren sie am Ziel.
Im Kontor setzte sich das Gedränge von draußen fort. Franz verlor seinen Begleiter sofort aus den Augen, aber das machte nichts. Einmal hier angekommen war er durchaus in der Lage, seine Wünsche vorzubringen. Er verfolgte eine Zeit lang das geschäftige Treiben und bemerkte, das heillos wirkende Durcheinander ergebe sehr wohl einen Sinn. Ihm blieb nur rätselhaft, wie die Kontorschreiber unter vielfachem körperlichem Ansturm ihrer Belagerer und unter deren Stimmgewalt ihren Gleichmut bewahren konnten.
Das Hafenkontor wich in seiner Aufteilung nicht vom Bewährten anderer Amtsstuben ab. Die Kontoristen hatten sich mit ihren Schreibpulten hinter einer stabilen Balustrade verschanzt. Die schien zwar dem täglichen Ansturm gewachsen, sah aber ziemlich mitgenommen aus. Ohne Respekt vor der verwaltenden Obrigkeit hatten die Wartenden ihre Kerben oder andere wichtige Mitteilungen eingegraben. Besonders die breite Abdeckung zierte die Hieroglyphen ungezählter Schiffergenerationen.
Franz drängte sich so weit vor, wie es ihm von den Umstehenden erlaubt wurde, ohne Schaden an der eigenen Gesundheit zu nehmen. Dabei schaffte er es tatsächlich, bis zur Absperrung vorzudringen. Sein forsches Auftreten und seine elegante Erscheinung erregte auch die Aufmerksamkeit eines Schreibers, dem er über eine Entfernung von sechs bis sieben Fuß zurufen konnte, was sein Begehr sei. Der Kontorist nickte kaum merklich zum Zeichen, dass er verstanden habe, ließ aber keineswegs von seiner Schreibarbeit ab. Franz war irritiert und trommelte nervös mit den Fingern auf der Balustrade. Endlich stand der Mann auf, allerdings steuerte er nicht auf Franz, sondern auf einen anderen Wartenden zu und bat den um eine Unterschrift, dann verschwand er gänzlich zur Hintertür.
Franz blieb verärgert zurück, verkniff sich jedoch zu nörgeln oder gar lautstark zu protestieren. Nach einer Weile kehrte der Kontorist zurück und zog
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