Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition)

Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition)

Titel: Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carola Herbst
Vom Netzwerk:
alle verfügbaren Männer zusammen. Es wird jedes Tor, jede Luke und jedes Fenster geschlossen. Nur die Lüftungsklappen bleiben offen, hast du verstanden?“
    „Ja, Herr.“
    „Gut, dann hältst du dich mit den anderen bereit und nimmst die Herde in Empfang, die wir hochtreiben. Wir nutzen dazu die Scheune als Laufstall. Also los, macht euch an die Arbeit.“
    Die Männer setzten sich unverzüglich in Bewegung. Als auch Adolf am Verwalter vorbeihuschen wollte, hielt der ihn zurück.
    „Adolf, du machst mir zuerst meinen Braunen fertig.“
    Der Großknecht schaute Stein erstaunt an, machte jedoch auf dem Absatz kehrt, um in der angrenzenden Geschirr- und Sattelkammer Zaumzeug und Sattel an sich zu nehmen. Stein schnappte sich eine brennende Stalllaterne und ging voraus. Durch eine Verbindungstür gelangten die Männer auf dem kürzesten Weg in den Pferdestall. Die Laterne sorgte nur für eine kleine helle Insel in der Dunkelheit. Doch die äußerst bescheidene Lichtquelle erhielt immer öfter grelle Konkurrenz verschiedenfarbiger Blitze. Mal zuckte es hellgelb, ein anderes Mal zartrosa durch die Boxen, so dass die Männer das Weiße in den Augen der beunruhigten Tiere sehen konnten. Steins Brauner war nicht zu begeistern, bei diesem Wetter in die Pflicht genommen zu werden. Adolf musste all seinen Vorrat an Koseworten aufbrauchen, um den Wallach zu zäumen und aufzusatteln. Nur widerwillig und mit langem Hals ließ sich das Pferd aus der Box führen.
    Auf dem Wirtschafthof schwang sich Stein in den Sattel. Er folgte den vorausgeeilten Knechten, lenkte sein Pferd auf den Weg entlang des Bachlaufes zum Grund. Dort stand die Herde mit führenden Stuten, deren Fohlen noch keine Erfahrungen mit Sommergewittern gemacht hatten und dementsprechend verängstigt sein würden. Aber Stein wusste, die Stuten seien ebenso beunruhigt. Wenn den Menschen bei Blitz und Donner der Schrecken in die Glieder fuhr, so wollte er solche Empfindung auch Pferden und Rindern zugestehen. Da nutzte es wenig, dass Mister Franklin bereits vor 60 Jahren das Wesen eines Gewitters mit seinen wissenschaftlichen Entdeckungen entzaubert hatte und die Menschen glauben machen wollte, elektrische Entladungen seien für die gerade tobenden Gewalten verantwortlich. Vor einem Gewitter schlichtweg Angst oder berechtigterweise Respekt zu haben, war den Menschen geblieben, zumal auf dem Gut kein Knecht und keine Magd rechtes Zutrauen zu dem installierten neumodischen Kram gefasst hatte, der freilich nur das Herrenhaus, Ställe und Scheunen vor der Gefahr zuverlässig schützen sollte, die nun unaufhaltsam heraufzog. Dreißig Jahre zuvor hatten die Bewohner Hohen-Lützows erfahren müssen, wie ein Blitzeinschlag eine Scheune in Schutt und Asche gelegt hatte. Ein alter Knecht hatte Stein erzählt, nur dank einer günstigen Windrichtung sei nicht das gesamte Gut in Mitleidenschaft gezogen worden.
    Steins Gedanken waren bei den Pferden. Er erinnerte sich an eine Begebenheit, die bereits zwei Jahre zurücklag. Damals war eine Herde unter ähnlichen Umständen in Panik geraten und es hatte mehrere Tage gedauert, die verstörten Tiere wieder einzufangen. Gottlob war weder Mensch noch Tier zu Schaden gekommen.
    Er tätschelte sein Reittier und beruhigte es mit dunkler unaufgeregter Stimme in gleichförmiger Melodie der Worte. Hätte der Braune verstanden, welche Eigenschaften ihm in dieser Nacht zugestanden wurden, so hätte ihm zweifellos der Stolz die Brust geweitet. Doch der Wallach tänzelte nervös und parierte die Befehle nicht so mühelos, wie Stein es von ihm gewohnt war.
    Ein greller Blitz direkt im Blickfeld blendete Ross und Reiter, so dass der Wallach erschrocken zur Seite ausbrach. Stein versuchte, mit seinem Körper der Bewegung des Pferdes zu folgen, damit er nicht abgeworfen werde. Als er sein Gleichgewicht wiedergefunden hatte, drängte er den Wallach sofort mit unnachgiebigem Schenkeldruck in die gewünschte Richtung. Solche Kraftproben wiederholten sich noch einige Male, doch schließlich fand sich der Wallach mit dem ungemütlichen Ausflug ab und strebte dem vertrauten Geruch entgegen, der ihm plötzlich zugetragen wurde. Im nächsten Augenblick waren die Stuten bereits zu hören. Stein konnte angstvolles Wiehern und empörtes Schnauben ausmachen, wie auch sein Wallach, der prompt eine Antwort parat hatte.
    Es regnete noch nicht, aber der Wind frischte in unangenehmen Böen auf, fegte mit einer Heftigkeit in den jungen Baumbestand der

Weitere Kostenlose Bücher