Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition)
hoffen, dass es so bleibt!“, schrie er zurück. Kaum hatte er die Hoffnung geäußert, da wurde sie zunichte gemacht. Ein mächtiger Blitz zuckte in unmittelbarer Nähe. Im selben Augenblick folgte ihm ein gewaltiges Krachen. Die Männer standen wie paralysiert beieinander. Die Luft knisterte und ließ ihnen die Haare zu Berge stehen. Erst ein rötlicher Schein aus Richtung Herrenhaus befreite sie von dem Schock.
„Feuer, Feuer!“, schrie irgendjemand.
Wie einem verabredeten Zeichen folgend rannten alle Umstehenden in Richtung Brandherd los.
Auch Stein folgte dem ersten Impuls, aber dann blieb er abrupt stehen und brüllte den Davoneilenden hinterher: „Werkzeug, ihr müsst Werkzeug mitnehmen! Los, los“, bellte er den Nächstbesten an, der im Laufen innegehalten und kehrtgemacht hatte. „Schaufeln, Spaten, Haken, Ketten, Eimer, Wannen, alles, was ihr fassen könnt, worin man Wasser einfüllen kann.“
Noch während sich die Männer hastig mit Behältnissen ausrüsteten, prüfte Stein die Wind- oder besser Sturmrichtung. Aber er konnte sich nicht auf seine Wahrnehmung verlassen. Abgerissene Blätter tanzten in einem tollen Wirbel über den Hof, um mal in die eine und im nächsten Augenblick in eine andere Richtung gerissen zu werden.
„Der Herr möge uns beistehen“, murmelte er, dann rannte er mit Wassereimer und Schaufel bewaffnet los.
Über dem Dach des Herrenhauses züngelten bereits Flammen. Seine dunklen Umrisse vor dem Feuerschein gaben eine schaurig schöne Kulisse für die Tragödie ab.
Wieder erleuchtete ein ganzes Bündel Blitze die Nacht, wieder grollte der Donner mit seiner machtvollen Stimme, so als wollte er den kleinen Menschen die Bedeutungslosigkeit ihres Seins vor Augen führen.
Der Moment, in dem die Blitze alles in grelles Licht tauchten, genügte Stein, die Situation zu erfassen. Es war nicht das Herrenhaus, das lichterloh brannte, zumindest noch nicht. Es war entweder die Mühle oder das Backhaus oder aber gleich beide Gebäude.
„Warum regnet es nicht, verdammt, warum regnet es nicht!“, brüllte Stein frustriert in seinen Lauf, bei dem er gerade den Kiesweg in den Blumengarten erreicht hatte. Seine Vermutung bestätigte sich. Das Backhaus stand in Flammen!
Funken schwangen sich vom rohrgedeckten Dach auf und der Sturm verteilte die brennenden Fetzen verantwortungslos auf die leicht entzündlichen Dächer der Nachbarschaft. Die Mühle war wegen ihrer unmittelbaren Nähe zum Brandherd zuerst in Gefahr.
Glücklicherweise blies der Sturm im Augenblick in Richtung Mühlteich und verschaffte so den Dorfbewohnern, die zum Löschen herbeigeeilt waren, einen kleinen Vorteil.
Stein formierte Eimerketten vom Teich bis hinauf auf das Mühlendach, das ebenfalls mit Reet gedeckt war. Auf dem besagten Dach turnten bereits zwei Burschen. Sie schlugen mit ihren nassen Hemden kokelnde Funkennester aus. Im Feuerschein, der die Gestalten da oben mal in Gelb, dann wieder in Rot tauchte, erkannte Stein Maximilian und Adam Preuß. Permanenter Funkenregen hielt die Burschen mächtig in Atem und ließ sie offenbar vergessen, dass der brenzlige Niederschlag auch ihre Haut versengte.
Stein schrie den Helfern Anweisungen zu. „Los, los, es müssen noch mindestens fünf Mann mit aufs Dach. Zuerst nehmt ihr euch die dem Backhaus zugewandte Seite vor. Kippt das Wasser immer von unter nach oben, damit sich das Rohr besser voll saugen kann.“
Auch der Pastor und der Küster stürzten herbei und erkundigten sich atemlos, wo sie helfen könnten.
„Beten Sie, Hochehrwürden! Bitten Sie den Herrn um einen kräftigen Regenguss und bleiben Sie um Himmels willen in der Kirche bei den Frauen und Kindern, damit die Männer sich nicht noch Sorgen um ihre Familien machen. Ich habe hier genug Leute zur Verfügung.“
Pastor Warkentin nickte bekümmert und rang beschwörend die Hände gen Himmel.
Die ersten Eimerketten funktionierten bereits zu Steins Zufriedenheit. Jetzt wollte er die Eindämmung des Feuers direkt am Brandherd organisieren. Dazu formierte er weitere Eimerketten. Er sah den Grafen und den Küster neben Elisabeth und Eleonore, wie sie sich gefüllte Eimer zureichten. Doch das Wasser der zahllosen Gefäße verdampfte nur zischend in den Flammen, die bereits bedrohliche Ausmaße angenommen hatten. Der Sturm, der sich zum Orkan auswuchs, fachte sie ständig aufs Neue an. Die Entfernung von 30 Fuß zur benachbarten Mühle überwanden die züngelnden rot glühenden Monster ein um das andere Mal,
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