Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition)
regendurchpeitschten Sturm der Konstitution zuzusetzen begann. Auch Stein begann zu frieren, aber noch reichte seine Anspannung aus, um den Energieverlust und die Erschöpfung auszugleichen.
Kaum waren die Männer mit der Verstärkung und dem Werkzeug eingetroffen, versuchten sie vom Wehr aus, die Ursache der Verstopfung zu ergründen. Wieder und wieder senkten sie ihre Haken in das dunkle Wasser. Aber sie förderten nur dürre Zweige und Vermoderndes vergangener Jahre zutage.
Adolf Bannow, der Großknecht, war besonders eifrig bei der Sache, möglich, dass er auf diese Weise seine Schnapsration retten wollte. Mit seinen 45 Jahren, breiten Schultern und beachtlicher Körpergröße war er ein ganzer Kerl. Er imponierte jedem vermeintlichen Widersacher allein mit seiner Statur. Aber manchmal war Kraft eben nicht das probate Mittel, um ein Problem zu lösen. Wieder einmal holte sein Misthaken mit unheimlichem Schwung aus. Seiner Abwärtsbewegung sollte selbstverständlich eine Aufwärtsbewegung folgen, doch er rechnete nicht mit der gewichtigen Überraschung, die er inzwischen am Haken hatte. Dem ersten Ruck folgte noch Adolfs erstaunter Blick, dann hatte sich sein Schwerpunkt bereits so weit verlagert, dass sein geistesgegenwärtiger Griff zu seinem Nachbarn nicht mehr genügte, um ihn vor einem Sturz zu bewahren. Der Großknecht mit seinen zwei Zentnern Körpergewicht riss im Fallen einen Burschen mit, der sich weder irgendwo festhalten konnte noch über ein entsprechendes Gegengewicht verfügte.
Platschend fielen beide ins Wasser, tauchten zunächst in der heftig aufgewühlten Brühe des Teiches unter. Die anderen Männer hatte der plötzliche Abgang erst erstaunt, dann beunruhigt. Keiner konnte sich erklären, welche Kraft einen Adolf Bannow in den Teich gezogen hatte. Als aber – unter lautem Gebrüll und mit allerhand Unrat behangen – zwei Gestalten durch die Wasseroberfläche brachen, jagten sie ihren Zuschauern einen gehörigen Schrecken ein. Die Ersten warfen entsetzt ihr Werkzeug fort und rannten davon.
„Was zum Teufel ...?“
Stein drängte sich energisch vor und sah im Teich zwei von zuckenden Blitzen hin und wieder gespenstisch beleuchtete Männer eine Art Ringkampf ausfechten. Dann begriff er, die Sache sei ernster als angenommen. Adolf klammerte sich – offensichtlich in Todesangst – an den jungen Burschen und zog den Mitgerissenen immer wieder hinunter.
„Mein Gott, der Dœsbaddel bringt noch sich und den Jungen um! Der müsste doch an der Stelle stehen können. Schnell reicht die Stangen her!“, schrie Stein ein paar Männer an, die tatenlos zuschauten.
„Adolf! Adolf! Lass den Jungen los, hörst du! Du sollst loslassen, hab ich gesagt! Stell dich auf die Füße, du gottverdammter großer Kerl! Du kannst gar nicht untergehen!“, versuchte er dem Knecht klarzumachen.
Adolf, immer noch panisch um sich schlagend, bekam mit einer Hand eine dargebotene Stange zu fassen und klammerte sich daran fest. Von dem Jungen war nichts mehr zu sehen.
„O mein Gott, jetzt hat der Idiot den Jungen ertränkt!“ Stein war außer sich.
Als nun offenbar war, weder unheimliche Wasserwesen noch der Teufel hätten ihre Finger im Spiel, stürzten sich einige Männer in den Teich. Mit den Stangen suchten sie fieberhaft den Grund nach dem Verunglückten ab.
„Hier is wat“, brüllte einer. Sofort tauchte ein blonder Schopf an besagter Stelle und zerrte kurz darauf einen vor seinem Sturz ebenso blonden Schopf aus dem Wasser. Der geborgene Körper sah schlaff und leblos aus. Maximilian schleppte seinen Bruder an die Uferböschung, ließ ihn bäuchlings und mit dem Kopf zuunterst liegen und stürzte sich verzweifelt auf den Pferdeknecht.
„Du Mörder, du elender Trampel, du Mistkerl, du hast ihn umgebracht mit deiner Dämlichkeit!“ Mit hassverzerrtem Gesicht schlug der schlanke Bursche auf den kräftigen Mann ein, der gar nicht begriff, was eigentlich geschehen war. Um sich zu verteidigen, musste Adolf die Stange loslassen. Er registrierte verwirrt, dass ihm das Wasser gerade bis zur Brust reichte. In seiner Benommenheit ließ Adolf den Jungen gewähren, der mit beiden Fäusten gegen seine breite Brust hämmerte.
Maximilians Wut schlug in Schmerz um. Er schrie und weinte. Wie betäubt kehrte er zu seinem Bruder zurück.
Stein kniete bereits neben Adams leblosem schmutzbeladenem Körper. Er hielt Max fest, der sich auf den Bruder werfen wollte, suchte verzweifelt nach tröstenden Worten, sprach sie
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