Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition)
ich auch nicht vergessen zu erwähnen. Die Pflanze kommt so unscheinbar daher, verbreitet ihren Segen im Boden und macht auch noch das Hornvieh satt.“
Franz wollte gerade an die Rüben erinnern, als Stein sagte: „Und auf die Rübe zurückkommend, das arbeitsaufwändige Viehfutter, so hat gerade die an Bedeutung gewonnen! Ein gewisser Marggraf hat nämlich entdeckt, dass die Runkelrübe den gleichen Zucker enthält wie das Zuckerrohr, das teuer aus Amerika importiert wird. Achard – Marggrafs Schüler und Nachfolger – gelang es erstmals, aus Rüben Zucker zu gewinnen. Das ist gerade mal ein gutes Dezennium her. Seitdem entstehen überall in deutschen Landen Zuckerfabriken. Die Rüben sind ein begehrter Rohstoff für die Volksernährung geworden. Außerdem muss das Vieh auch im Winter fressen und die Rüben – ein wertvolles Saftfutter – können in Mieten die Kälte überdauern.“
Stein trieb sein Pferd in eine schnellere Gangart. Tizian folgte der Stute. Es dauerte nicht lange, da war sie eingeholt und Franz musste seinen Wallach zügeln, weil er ehrgeizig voranstürmen wollte.
„Ihr Tizian ist wohl zu lange Hengst gewesen?“, fragte Stein mit einem Seitenblick auf Franz, der Mühe hatte, den Wallach in den Griff zu bekommen.
Franz nickte. „Es hat mir selbst wehgetan, Tizian einer solchen Behandlung zu unterziehen, aber im Feld kann ich es mir nicht leisten, auf die Gefühle meines Reittieres Rücksicht zu nehmen. Glücklicherweise hat er es mir nicht übel genommen. Wir kommen wunderbar miteinander aus.“ An dieser Stelle schnaubte der Wallach, als ginge es ihm um Zustimmung.
Pferde und Reiter machten sich nun im weiten Bogen auf den Heimweg.
Inzwischen verfluchte Anne die Schoten, aber sie weigerte sich nicht länger, in den beiden blonden Burschen Zwillinge zu sehen. Die knifflige Frage, warum es Zwillinge gebe, die wie ein Ei dem anderen glichen, wieder andere grundverschieden aussehen, hatte noch nicht geklärt werden können. Allerdings waren die Mägde übereingekommen, dass Geschwisterpaare aus Junge und Mädchen auch Zwillinge sein konnten: Der Vetter des Schwagers von Helgas Tante hatte nachweislich eine Zwillingsschwester. Ob es auch Mädchen als Zwillingspaare gäbe, konnte in der Küchenklatscherhebung nicht ermittelt werden, den Mägden war kein solcher Fall bekannt.
Annes Kampf mit den Schoten näherte sich dem Ende.
Es erstaunte sie einmal mehr, wie klein die tatsächliche Ausbeute an Erbsen war, hatte sie doch Stunden bei der Pularbeit verbracht. Die leeren Schalen stellte sie für den Schweinekoben bereit, dann stieg sie hinauf zum Speicher.
Die zwei mit Erbsen gefüllten Holzeimer wogen schwer. Anne brach bereits der Schweiß aus, als sie die Treppe zur Dienstbotenetage im Dach erreichte. Aber sie musste ja noch höher hinaus. Die schmale Stiege, der einzige Zugang zum Speicher über den Mansardenstübchen, war eingehaust und mit einer Brettertür verschlossen. Als sie die Tür entriegelte und öffnete, wallte ihr warme staubige Luft entgegen. Die Stiege war so steil und eng, dass Anne sie nur mit jeweils einem Eimer erklimmen konnte. Wohl oder übel musste sie zweimal gehen. Mit heißer Stirn und nassem Rücken kam sie oben an und hielt inne.
Der erstaunlich große Raum des Speichers war in einige Bretterverschläge aufgeteilt worden. Allerdings schien man dabei nicht planmäßig vorgegangen zu sein. An den Giebelseiten des Hauses, an denen die großen Walme des Daches eingezogen worden waren, lagen sich kleine Fenster zur Belüftung gegenüber, die etwas Tageslicht hereinließen. Zwischen den Dachziegeln blitzte hin und wieder die Sonne hindurch. Anne entnahm einer Truhe große Papierbogen, breitete sie aus und schüttete die Erbsen darauf. Sie sorgte dafür, dass alle Früchtchen einzeln nebeneinanderlagen, damit die warme Luft sie dörren könne. Sie ließ sich dabei viel Zeit. Unvermittelt kam ihr Aschenputtel, die ungeliebte Stieftochter aus dem Märchen, in den Sinn. Annes Großmutter hatte ihr die Geschichte oft erzählt.
Aschenputtel hat ihren Prinzen bekommen, dachte sie, dabei schaute sie auf ihre zweifellos schlanken Füße, die in unförmigen Holzpantinen steckten. Ihre Überzeugung, ihr Prinz würde kaum Gefallen an diesen Pantöffelchen finden, ließ sie aufseufzen.
Bei einem Geräusch, das sie nicht selbst verursacht hatte, fuhr sie zusammen. Erschrocken hielt sie den Atem an und lauschte. Ihr Herz hämmerte gegen die Rippen und sie befürchtete, sein
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