Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition)
Hohen-Lützow zugetragen hat.
Franz’ Urteil zu den gräflichen Finanzen ließ Stein im Raum stehen, er sagte nur: „Nun, vielleicht wird es gar nicht nötig sein, wir werden sehen.“
„Verzeihen Sie.“ Franz trat einen Schritt auf den Verwalter zu. „Ich verstehe nichts von der Landwirtschaft, bis heute habe ich sogar geglaubt, ich müsse auf dem Rittergut meines Vaters vor Langeweile sterben ...“
Er ließ sich kurz von Steins Gelächter unterbrechen, fuhr aber unbeirrt fort: „Ich würde mich gern an Ihre Fersen heften, wenn Sie erlauben, dabei das Gut und seine Bewirtschaftung kennenlernen wollen.“ Während Franz noch darüber nachdachte, was er täte, falls Stein ablehnte, machte der ein ernstes Gesicht.
„Ich habe eine Bedingung“, sagte Stein. Er sprach feierlich und Franz folgte seinem Blick, der schließlich an dem vollen Schnapsglas auf dem Tischchen am Fenster hängen blieb. Mit festen Schritten durchmaß Franz den Raum, ergriff das Glas, stürzte den Schnaps hinunter und atmete geräuschvoll aus.
„Sie haben recht“, dabei starrte er anerkennend auf das kleine Glas, „ich habe noch eine Menge zu lernen, lassen Sie uns sofort damit anfangen.“
Stein vergaß seine anfängliche Reserviertheit und stieß Franz vertraulich in die Seite. Es war ihm die größte Selbstverständlichkeit, den jungen Mann zu einem Ausritt über die Felder einzuladen.
Franz lenkte Tizian hinter Steins Reittier. Tizian schien über den Ausflug genauso glücklich zu sein wie sein Reiter. Er tänzelte vor Übermut und brach das eine oder andere Mal seitlich aus, weil es ihm nicht behagte, der ruhigen Stute hinterherzutrotten. Als der Weg nach der Passage eines kleinen Wäldchens im offenen Gelände breiter wurde, trieb Franz Tizian an und zügelte ihn neben Steins Pferd. Die beiden Männer ritten eine Weile schweigend nebeneinander her.
Stein kannte die Wirkung der Landschaft, die sich vor ihnen öffnete, sie musste Franz beeindrucken. Er ließ dem jungen Mann einfach Zeit, die Bilder auf sich wirken zu lassen. Die Reiter hatten von einer sanften Anhöhe eine wunderbare Aussicht über das hügelige Gelände. Klares Wetter erlaubte es den Blicken, bis zum Horizont zu schweifen. Vor ihnen tat sich ein großer Schlag mit Getreide auf. Das Halmkorn hatte sich schon in ein schmutziges Gelb verfärbt. Der Sommerwind griff in die Ähren, die zu Abertausenden beieinander standen, und beschwor so die Illusion wogender Meereswellen herauf. Im Hintergrund hob sich sattes Grün ab, das wiederum ein Blasslila ablöste. Hecken aus Bäumen und Strauchwerk besäumten die Felder. Aus den bestellten Äckern ragten hier und da Bauminseln auf. Zumeist siedelten sie auf kleinen Erhebungen. Aber auch einzelne prachtvolle Exemplare von Eichen oder Buchen erhoben sich wie eine Majestät über die Ackerfrüchte, die zu ihren Füßen krochen. Die Bäume erweckten den Anschein, ihr wohlgeformtes Astwerk beschütze alles und jeden.
Franz entdeckte in einigen Senken Wasserlöcher. Die Oberflächen der Tümpel und Teiche glitzerten in der Sommersonne. Die Luft war angefüllt von den Gerüchen harzender Kiefern und duftender Kräuter. Blaue Kornblumen, roter Mohn und weiße Hundskamille zwischen gelben Ähren erzeugten ein Feuerwerk an Farben, das atemberaubend schön war. Lerchen hingen hoch oben im Himmel und trällerten unbekümmert ihre Lieder.
„Mein Gott ist das schön hier“, entfuhr es Franz mit einem Seufzer. „Ich beneide Sie um den Anblick, den Sie genießen können, wann immer Sie wollen.“
Stein hätte jetzt einen Vortrag halten können, dass der Landwirt zu einer anderen Betrachtung der Dinge neige. Beispielsweise war das Korn im letzten Herbst schlecht aufgelaufen, Frostschäden hatten es im Winter zusätzlich dezimiert, Wassermangel im Frühjahr und Frühsommer hatte ein Übriges getan – es stand in der Notreife. Die Niederschläge, die dann einsetzten, waren für den Landwirt zu spät gekommen. Der Regen verdarb nicht nur die Heuernte. Das Getreide hatte keine Zeit gehabt, genügend große Körner auszubilden. Die Getreideernte, zumindest der Wintersaaten, würde nicht gut ausfallen und weil die Ähren auf kurzen Halmen standen, bliebe auch die Strohausbeute gering. Die Blumenpracht war dem Landwirt ein Dorn im Auge, weil die Unkräuter Jahr um Jahr die Erträge minderten. Die hübschen Wasserflächen hatten im Frühjahr die hässliche Angewohnheit, sich durch abfließendes Schmelzwasser über Gebühr auszudehnen
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