Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition)
und angrenzende Kulturpflänzchen zu ertränken. Außerdem spülte Schmelz- und Regenwasser die wertvolle Ackerkrume der Hügel aus, nutzlos geworden blieb sie in den Tümpeln liegen.
Aber Stein sah nicht ein, Franz auf all die Dinge aufmerksam zu machen. Wenn sein Dienstherr oder Johann von Klotz von ihm Rechenschaft verlangten, war es angezeigt, sie aufzuzählen. Aber hier, auf ihrem gemeinsamen Ritt und angesichts der Begeisterung des jungen Offiziers, erschien Stein ein nüchterner Exkurs in seine Profession völlig fehl am Platze. Er begnügte sich damit, Franz’ Fragen zu den Feldfrüchten zu beantworten, denen sie bei ihrem Inspektionsritt begegneten. Er erklärte seinem neuen „Lehrling“ mit wachsender Begeisterung die Unterschiede zwischen Gerste, Weizen, Roggen und Hafer. Er genoss den Ritt ebenso wie Franz, der alle Informationen wissbegierig aufsog.
Auf einem der nächsten Äcker entdeckte Franz winzig erscheinende Menschen, die weit verteilt ihrer Arbeit nachgingen.
„Was machen die da draußen?“, wollte er sogleich wissen.
Stein nahm seinen breitkrempigen Hut vom Kopf und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Die Sonne brannte unbarmherzig vom Himmel herab. „Nach dem vielen Regen ist das Unkraut schneller gewachsen als unsere Runkelrüben. Die Leute müssen die Rübenschläge noch einmal durchhacken“, erklärte er. Schnell setzte er den Hut wieder auf, um sich zu schützen.
Franz bedauerte im Stillen die Menschen da draußen bei ihrer schweißtreibenden Arbeit.
„Sie sagten – noch einmal – muss so etwas häufiger gemacht werden?“, war folgerichtig die nächste Frage.
Stein nickte. „Die Rübe, egal welche Sorte, ist neben dem Flachs eine der arbeitsaufwändigsten Feldfrüchte überhaupt.“ Seine Blicke überflogen die Landarbeiter. Er merkte sich diejenigen, die allzu oft zu einem Schwätzchen innehielten und die Köpfe zusammensteckten. „Nach dem Säen laufen die Samen in der Regel zu dicht auf. Dann müssen die Pflänzchen mit der Hacke verhauen werden. Dabei wird zugleich der Boden gelüftet. Nach ein paar Wochen werden dann die kräftigsten Pflanzen von den zu dicht stehenden Nachbarn befreit, das nennt man verziehen. Dabei müssen wiederum die Unkräuter ausgehackt werden. Und schließlich erfolgt die Rundhacke, rund um das schon kräftiger gewordene Rübchen, damit das Unkraut niedergehalten wird. Wenn die Rübe erst groß genug ist und das Rübenblatt den Acker beschattet, hat es auch das Unkraut schwerer, Fuß zu fassen. Dann kann man die Rübe bis zur Ernte sich selbst überlassen, es sei denn, die Wildschweine richteten zu viel Schaden an.“
Franz war beeindruckt. „Warum lassen Sie Rüben anbauen, wenn diese Dinger, die doch nur die Viecher fressen, so viel Arbeit machen?“, fragte er.
Über die naive Bemerkung musste Stein dann doch lachen. „Verzeihen Sie meine Heiterkeit, ich bin es nicht gewohnt mit Laien umzugehen“, entschuldigte er sich bei Franz. „Die Landwirtschaft ist eine Wissenschaft geworden, nicht umsonst studiert Ihr Bruder an der Universität zu Rostock.“ Stein stellte sich in die Steigbügel und richtete sich im Sattel auf, dabei in die Runde zeigend. „Prägen Sie sich das Bild gut ein“, sagte er, „nächstes Jahr werden Sie an dieser Stelle eine völlig andere Farbzusammenstellung der Kulturlandschaft vorfinden. Die Feldfrüchte werden immer im steten Wechsel angebaut, damit der Boden nicht allzu sehr ausgelaugt wird. Erst in der Mitte des vorigen Jahrhunderts wurde in Mecklenburg die holsteinische Koppelwirtschaft eingeführt. Die Bewirtschaftungsmethode konnte aber nicht eins zu eins für die hiesigen Bodenverhältnisse übernommen werden. Über die nächsten Jahrzehnte entwickelte sich hier bei uns im Lande eine eigene Wirtschaftform, die sogenannte Siebenschlägige Feldgraswirtschaft. Dazu benötigt der Landwirt, wie unschwer herauszuhören ist, sieben Schläge, die einer genau ausgeklügelten Fruchtfolge unterliegen. Wichtig ist die Ruhephase der Äcker. In dieser Zeit wird der Schlag über zwei bis drei Jahre mit Gras bestellt, als Futteranbaufläche oder Viehweide genutzt. Auf diesen Flächen entfällt dann auch das Mistausbringen, das besorgen die Tiere.“ Stein machte ein eindeutiges Geräusch und die Männer lachten miteinander.
„Heutzutage versucht man mit Modden und Mergeln und selbstverständlich mit dem Ausbringen von Stalldung die Fruchtbarkeit des Bodens zu erhalten oder gar zu steigern. Und den Rotklee darf
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