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Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition)

Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition)

Titel: Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carola Herbst
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die Lider.
    Bedeutsam fügte sie hinzu: „Alle seine Freunde werden kommen.“ Dann stand sie entschlossen auf. Ihre kleine Schwester sendete noch einen sehnsüchtigen Blick nach der Kekstüte, doch sie wagte nicht, noch einmal hineinzulangen.
    Franz biss sich auf die Zunge, weil ihm gerade die Frage entschlüpfen wollte, welche der Rostocker Kirchen den Namen St. Nikolai trage. Johann hätte es gewusst!
    Auch Johanna kletterte von ihrem Stuhl. Sie hielt Franz ihre kleine knochige Hand zum Abschied entgegen. Er griff nach der Hand, hielt sie fest, langte über den Tisch, und klemmte ihr die Tüte unter den freien Arm. Er beugte sich hinunter und ließ wortlos das Wechselgeld von Mudder Schultzen in ihre Schürzentasche gleiten.
    Die Kleine strahlte, als sie das grobe fettige Papier befühlte. Sie schlang ihre dürren Ärmchen blitzschnell um seinen Hals. Er spürte kaum den flüchtigen Kuss auf seiner Wange. So schnell, wie sie sich zu der Sympathiebekundung entschlossen hatte, so schnell ließ sie auch wieder von ihm ab und rannte ihrer Schwester nach, die bereits an der Tür stand. Henriette verabschiedete sich mit einem stummen Knicks, nahm Johanna bei der Hand und sie liefen, ohne sich noch einmal nach Franz umzudrehen, die Treppe hinunter.
    Franz blieb mit seinem schlechten Gewissen auf der Galerie zurück. Er starrte selbstvergessen auf den Torflügel, der längst hinter den Geschwistern zugefallen war.
    Frieder war tot!
    Selbstzweifel nagten an Franz. Er quälte sich mit bitteren Vorwürfen, fühlte sich verantwortlich, sah es doch nun so aus, als sei der junge Mann nicht mehr erwacht, sondern aus seiner Bewusstlosigkeit hinübergedämmert in den Tod. Noch am Abend desselben Tages hatte er ein weiteres Mal an der Lagerstatt im Heiligen Geist Spital gestanden, jedoch zu Frieders Zustand keine Besserung vorgefunden. Der Krankenpfleger, der an der benachbarten Pritsche mit Verrichtungen beschäftigt war, hatte ihm auf seine stumme Frage nur mit einem Kopfschütteln geantwortet.
    Hatte die Wahrheit Frieder umgebracht? Die Frage schmerzte. Ein Ja bedeutete, Franz hätte den Todesstoß geführt, aus seinem Munde hatte Frieder erfahren, dass Johann verschwunden geblieben sei. Hatte die unerfreuliche Tatsache Frieder den Lebenswillen gekostet, hatte er daraufhin den Kampf um das Leben verloren gegeben? Plagten ihn ähnliche Gedanken? Gab er sich die Schuld an Johanns Schicksal? Es wäre möglich, wäre eine Erklärung für Frieders Zusammenbruch. Franz erinnerte sich beklommen des Weinkrampfes.
    Die Leichenfeier war, so makaber das klingen mochte, die beste Gelegenheit, Kontakt zu Frieders Freunden aufzunehmen. Die zählten mit großer Wahrscheinlichkeit auch zu Johanns Freunden. Nur so war an die Informationen heranzukommen, die Frieder nicht mehr preisgegeben hatte.
    Franz fragte sich natürlich, warum Frieder verschwiegen habe, wer hinter Johann her sei. Wenn Frieders Wissen bei der Suche hätte helfen können, warum hatte er es dann nicht an einen Wohlgesinnten weitergegeben? Bewahrte er mit seinem Tod ein dunkles Geheimnis?
    Franz würgte den Kloß in seinem Hals hinunter. Er dachte an die Schwierigkeiten, die auf der Leichenfeier auf ihn warten mochten. Wie auf die richtige Fährte gelangen? Noch komplizierter schien es, den Hinterbliebenen zu erklären, weshalb er es nicht für nötig gehalten habe, den Irrtum der Schwestern aufzuklären. Er hoffte, nicht auf eine Mauer des Schweigens, oder auf unüberbrückbares Misstrauen zu stoßen.
    „Damit muss ich jetzt fertigwerden“, sagte er leise, aber bestimmt in den dunklen Flur. Franz wurde sich seiner Umgebung bewusst, suchte aber nur kurz die Wohnung auf. Mit einer Tasche unter dem Arm trat er zurück ins Treppenhaus, das an diesem Nachmittag besonders streng nach Moder roch. Er schloss die Wohnungstür mit einem entschlossenen Ruck, so, als wolle er alle Gedanken, die mit Frieder und dessen Tod zu tun hatten, hinter der Tür zurücklassen.
     
    Er hatte ein frisches Hemd und sauberes Unterzeug dabei. Sein Ziel war das russische Dampfbad in der Wokrenter-Straße, das er nach seinem ersten Krankenbesuch und seiner anschließenden Flucht in den Hafen ausfindig gemacht hatte. Er sehnte sich danach, den Körper zu reinigen, bei der Schwitzkur sein ausgehöhltes Ich aufzufüllen. Franz gestattete sich selten den Luxus, Zeit nur um seiner selbst willen zu verbringen und wünschte sich, sie brächte den erhofften Effekt.
    Er hatte nicht lange zu laufen. Die

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