Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition)
war über die plausible Begründung seiner Anwesenheit in Doberan sehr zufrieden, auch wenn sie nicht ganz der Wahrheit entsprach.
Johanna war geradezu aufgekratzt, obwohl es ihr recht bald leid tat, den väterlichen Arm Stettens Begleitung vorgezogen zu haben. Sie schaute sich hin und wieder nach dem jungen Mann um, der mit Elvira in eine ernsthafte Unterhaltung vertieft schien. Baronin von Plessen gab sich, von mütterlichen Gefühlen geleitet, vorerst mit der Gesellschaft Borowskys zufrieden, natürlich ermutigt von der Gewissheit, dass ihr der Graf in den nächsten Tagen nicht entkommen konnte. Außerdem war Borowsky ein angenehmer Unterhalter, er vergaß nicht, das verwandtschaftliche Verhältnis zu hinterfragen, das Madame mit Herrn Minister von Plessen verband. Der Graf hatte ihm erzählt, wie stolz die Dame auf ihren berühmten Schwager sei, der im vergangenen Jahr auf dem Wiener Kongress die Interessen beider Großherzogtümer Mecklenburg vertreten hatte.
Trebbow bildete mit Margitta am Arm den Schluss der zufällig zusammengewürfelten Wandergemeinschaft. Dem Mädchen war nicht entgangen, dass Johanna wie ausgewechselt wirkte. Die geradezu fühlbare Anspannung der Freundin war urplötzlich einer überschäumenden Freude gewichen. Sie schaute Trebbow von der Seite an, der erfolglos versuchte, die Gouvernante mit Blicken zu durchbohren.
„Was haben Sie nur dauernd mit der Engelmann“, fragte sie ungehalten. Die mangelnde Aufmerksamkeit ihres Begleiters verletzte sie. Er nahm keine Rücksicht darauf, ob sie an seinem Arm über Zweige oder Pfützen steigen musste. Fast zog er sie, nur um in Hörweite des Paares zu bleiben, das ihnen voran ging. Margitta machte sich ruckartig von Trebbow los,
„Was soll das, Sie ziehen mich hinter sich her wie einen lästigen Kartoffelsack!“, räsonierte sie. Glücklicherweise traf der Zeitpunkt ihrer Zurechtweisung mit dem Auftauchen einer Bank am Wegesrand zusammen, so dass sie sich setzen und missmutig ihre verschmutzten Schuhe betrachten konnte. Wenigstens ihren Rock hatte sie vor Schlammspritzern bewahren können.
„Oh, ich bin untröstlich ...“
Margitta verdrehte entnervt die Augen, ohne sich darum zu scheren, ob es nun schicklich sei oder nicht. „Meine Güte!“, unterbrach sie unwirsch seinen Entschuldigungsversuch, „seit gestern haben Sie nur Augen für Johanna. Sie könnten ruhig etwas diskreter sein.“ Sie wollte noch hinzufügen, Johanna schwärme ohnedies für Stetten, aber sie verkniff sich die Bemerkung mit Rücksicht auf Trebbows Gefühle gerade noch rechtzeitig.
„Sie glauben doch nicht etwa ..., o nein ..., Sie missverstehen die Situation völlig ...“ Trebbow brach sein Gestammel ab, als er es in ihren Augen aufblitzen sah.
„Welche Situation haben wir denn“, erkundigte sie sich spöttisch. „Sie möchten doch gewiss nicht, dass ich meine Mutter oder den Herrn Grafen informiere.“ Sie hoffte, ihre Ermunterung genüge.
Trebbow erstarrte regelrecht, seine Miene wurde todernst.
Margitta merkte betroffen, zu weit gegangen zu sein. Sie wich seinem Blick aus. Sie wusste nicht genau, was sie zu der Äußerung getrieben hatte, ob es verletzte Eitelkeit, Eifersucht oder einfach nur ein ungutes Gefühl gewesen war, dem sie nachgegeben hatte. Jedoch ihr gewähltes Mittel war gänzlich fehlgeschlagen.
„Verzeihen Sie, selbstverständlich würde ich Ihre Ehrenhaftigkeit nie in Frage stellen“, sagte sie hastig und erhob sich. Sie wollte an ihm vorbeilaufen, doch ihre Flucht gelang nicht. Trebbow griff mit einer jähen Bewegung nach ihrem Arm und hielt sie zurück. Er zog sie an sich, einen ewigen Moment lang tauchten seine grauen Augen unmittelbar vor ihrem Gesicht auf, dann spürte sie seine warmen Lippen, seine fordernde Zunge. Zu überrascht, um angemessen reagieren zu können, presste sie ihre angewinkelten Unterarme abwehrbereit gegen seine Brust. Sie kam nicht dazu, ihre Eindrücke zu ordnen, geschweige denn, seinen Kuss zu erwidern.
Hundegebell kündigte Spaziergänger an. Sie fuhren auseinander, als wäre ein Schwert zwischen sie gefahren.
Margitta schaute unsicher zu Boden, ihre Ohren und Wangen glühten. Allerdings war sie sich dessen nicht bewusst, denn ihre Gedanken waren dabei, sich zu überschlagen. Wie lange hatte sie sich so einen Augenblick erträumt, hatte sie sich eine wild romantische Begegnung ausgemalt, nur der Ritter in strahlender Rüstung war ohne klare Vorstellung geblieben. Und nun hatte sie den
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