Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition)
zur Salzsäule erstarrt. Doch Franz lächelte ihm aufmunternd zu und verneigte sich höflich gegen ihn. Der Bursche entspannte sich angesichts solcher Artigkeit, bekam sogar eine Erwiderung der Verbeugung hin.
Tanner mischte sich ein und gab nicht eher Ruhe, bis jeder seiner männlichen Gäste ein gefülltes Schnapsglas in der Hand hielt. Ein schlechter Wirt war er jedenfalls nicht, eilfertig und unablässig bot er aus seiner Flasche an, bis auch die Neige ausgeschenkt war. Franz beobachtete die Szene etwas besorgt, doch der Branntwein lockerte die Zungen und so glaubte er, nichts dagegen einwenden zu müssen, wenn die Burschen leicht alkoholisiert in eine leutselige Stimmung verfielen.
Als Ernst Hans-Georg schulterklopfend begrüßte, lobte Franz: „Schmucke Röcke tragen Sie da.“ Bereits als er die Worte noch im Munde führte, schalt er sich für seine Einfallslosigkeit.
Hans-Georg wiederum musterte Franz’ preußische Uniform anerkennend. Seine Entgegnung: „Schmucke Uniform tragen Sie da“, fiel jedoch unerwartet frostig aus.
Das ging leider daneben, dachte Franz zerknirscht. Doch allein die Vorstellung, all die jungen Leute in seiner Nähe hatten vor Wochen täglich Umgang mit Johann gehabt, genügte, seinen aufkeimenden Hochmut in die Schranken zu weisen.
Warte Freundchen, dachte er, es müsste schon mit dem Teufel zugehen, wenn nichts Wichtiges aus dir herauszubringen wäre.
Also, erst einmal Asche aufs Haupt, so lautete der Marschbefehl, den er sich erteilte. Er verwickelte Hans-Georg in ein harmloses Gespräch über das scheußliche Wetter und den kratzigen Branntwein. Ziel war es, Hans-Georg von der Gruppe loszueisen, was wegen der beengten Platzverhältnisse gar nicht einfach zu bewerkstelligen war.
Ernst entschuldigte sich derweil. Vermutlich musste er sich erleichtern. Unterdessen riss Tanner – ohne sich der Umstände zu genieren, weshalb man sich zusammengefunden hatte – einen Witz. Die Zote löste bei all denen die größte Heiterkeit aus, die reichlich Schnaps auf leeren Magen intus hatten. Das schien die richtige Gelegenheit zu sein, um konkret zu werden. Vor Zuhörerschaft sicher sagte Franz frei heraus: „Ich möchte mich für mein unmögliches Benehmen entschuldigen, Herr Köster. Vorgestern habe ich tatsächlich angenommen, Sie wollten mir zu nahe treten.“
Hans-Georgs Augen weiteten sich ängstlich. Doch dann begriff er, die Entschuldigung war ehrlich gemeint.
„Mon Dieu, ich bin untröstlich, einen Offizier Seiner Majestät in die Flucht geschlagen zu haben“, erwiderte er in affektiertem Ton.
Franz musste sich zusammenreißen, Hans-Georg nicht bei der Halsbinde aus dem Raum zu schleifen.
Also doch ein Gang nach Canossa, dachte er.
Ihn tröstete, dass Kaiser Heinrich unmittelbar nach dem demütigenden Bußgang Rom erobert und den Papst verjagt hatte.
„Ich habe von Johann gehört, Sie seien ein ausgezeichneter Fechter“, log er ungerührt. Wenn der schmalbrüstige Geck ihn an der Nase herumführte, konnte er das schon lange. Trotz seiner finsteren Gedanken lächelte er zuvorkommend.
„Ach ja?! Johann hat es aber auch bitter nötig, auf dem Fechtboden jede freie Minute zum Üben zu verwenden. Er ist so fürchterlich ausrechenbar, wissen Sie. Jeden Angriff sehe ich kommen, bevor er überhaupt dazu ansetzt. Und erst die Paraden! Na ja, was soll’s. Ist er wieder auf diesem Gut? Wie heißt es doch gleich?“
Im Geiste sah Franz sein Gegenüber mit hervorquellenden Augen und dunkelrotem Kopf um Atem ringen. Er fixierte Hans-Georgs auf und nieder hüpfenden Adamsapfel und stellte sich genüsslich vor, den schlanken Hals zu würgen.
„Hohen-Lützow, der Name weckt Assoziationen, nicht wahr? Aber ich kann Ihnen versichern, Major von Lützow hat niemals einen Fuß in den unbedeutenden Ort gesetzt.
Wie ich sehe, huldigen Sie den Farben seiner Truppe. Waren Sie dabei?“, fragte Franz milde.
„Nein, ich bin ...“
„Zu jung, nicht wahr?“, sagte Franz verständnisvoll. Mit der Überlegenheit seiner Erfahrung, die Hand lässig am Säbel, richtete er sich kerzengerade auf.
Hans-Georg wirkte mit einem Male nicht mehr so überheblich. „In der Tat, und ich bedauerte diesen Umstand außerordentlich“, plapperte er drauflos, doch er musste sich erneut unterbrechen lassen.
„Ein Schlachtfeld ist kein Fechtboden, mein Junge, da tauchen die Gegner unvermittelt und vor allen Dingen von allen Seiten auf, fallen einem sogar in den Rücken.“ Franz machte eine
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