Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition)
zu stammeln: „Ich, ich wollte das nicht ... Ich meine, ich wollte Sie keinesfalls verärgern, Herr Leutnant“, hub er an und deutete mit einem schüchternen Lächeln auf seinen Degen, „und Johann hat eine Menge von mir gelernt.“
Franz nahm das Friedensangebot gern an. Nach so vielen Rück- und Fehlschlägen fasste Aufregung nach ihm. Er glaubte, endlich dem Ziele nahe zu sein, deshalb klang seine nächste Frage auch wie eine Aufforderung zum Rapport: „Wann absolvierten Sie die letzte gemeinsame Fechtstunde?“
Hans-Georg schien gekränkt, der barsche Ton musste ihm wie eine neuerliche Zurückweisung vorkommen. Seine Stirn kräuselte sich. „Es ist bestimmt vier Wochen her“, sagte er nachdenklich.
„Sind Sie sicher?“
Franz trat einen Schritt vor, was sein Gegenüber unwillkürlich einen zurückweichen ließ. Aber Hans-Georg schien bemerkt zu haben, dass der Stimmklang der hastig gestellten Frage eine Veränderung erfahren hatte. Diesmal schwang keine kühle Herablassung mit. An der Miene des Jungen war abzulesen, wie verzweifelt er nach einem Hinweis suchte, was es ansonsten sein könnte.
„Warum fragen Sie mich, wenn Sie mir am Ende doch nicht glauben. Holen Sie sich doch von Ihrem Bruder eine Bestätigung, wenn Ihnen so viel daran gelegen ist“, schlug er beleidigt vor.
Franz holte geräuschvoll Luft. Er sah Hans-Georg scharf an, als er sagte: „Ich möchte Sie gern unter vier Augen sprechen, begleiten Sie mich?“ Er machte zu seiner Bitte eine einladende Geste.
Hans-Georg nickte nur und ging voraus.
Froh, der Stube entkommen zu sein, die mit allen möglichen Gerüchen angefüllt war, schlenderte man im stillen Einverständnis an der Grube entlang. Die beiden Trauergäste waren entgegen der Fließrichtung des Gewässers unterwegs. Eine kleine Insel aus Binsen und Schilf trieb an ihnen vorüber. Inzwischen war der Regen in erträgliches Nieseln übergegangen.
„Ich stehe zur Verfügung, Herr Leutnant.“
Franz hörte es, jedoch so kurz vor dem ersehnten Ziel durfte er keine Fehler machen. Er überlegte sich sein Vorgehen sehr genau.
Franz’ anfängliches Schweigen schien Hans-Georg nicht zu ermutigen. Trotzdem fragte er: „Darf ich Sie um etwas bitten, Herr Leutnant?“
„Nur zu, Herr Köster“, wurde er ermuntert.
„Unser erstes Zusammentreffen – haben Sie ...“, er zögerte, presste die Lippen zusammen und spuckte dann den Rest aus: „jemandem davon erzählt?“
„Ja, Charlotte, Ernst und Ihrem Onkel.“
Das freimütige Bekenntnis löste bei Hans-Georg Bestürzung aus. „Wie konnten Sie wissen, wer ich bin?“, fragte er völlig überrumpelt.
„Ich wusste nicht, wer Sie sind“, bekannte Franz. „Aber noch am selben Abend habe ich Weinhändler Köster kennengelernt und habe zunächst angenommen, Sie seien Charlottes Bruder. Ihr Vater und Ihr Onkel, das müssen Sie zugeben, sehen sich zum Verwechseln ähnlich. Ich habe Köster senior nach Bruder und Neffen gefragt.“
„Sie haben nach mir gefragt?“ Hans-Georg klang überrascht, nicht etwa verunsichert.
„Ja, wegen Ihrer interessanten Tätowierung.“
„Ach deswegen.“ Enttäuschung machte sich auf Hans-Georgs Zügen breit. Er zog abwehrend die Schultern hoch.
„Haben Sie auch ...“, sein gequälter Blick vervollständigte den Satz.
„Nein, und ich gebe Ihnen mein Ehrenwort, niemals etwas über Ihre Neigungen verlauten zu lassen, die ich allerdings nicht teile“, setzte Franz hinzu, um neuerlichen Missverständnissen vorzubeugen.
„War es das, was Sie mir sagen wollten?“
Hans-Georg heftete seinen Blick auf den Weg, die Unterlippe schmollend vorgeschoben.
„Nein, ich wollte Sie auch um etwas bitten.“
Hans-Georg schaute überrascht auf. Beider Blicke trafen sich, doch es lag nichts Berechnendes mehr darin, jetzt, wo klar war, was einer vom anderen dachte.
„Wenn ich Ihnen weiterhelfen kann, will ich das gerne tun.“ Hans-Georg begleitete seine Worte mit einem Schulterzucken.
Franz atmete auf und kam ohne Umschweife auf sein Anliegen zu sprechen: „In den nächsten Tagen werden Sie eine Aussage bei der Polizei machen müssen, die meinen Bruder betrifft.“
„Was? Sagen Sie jetzt bitte nicht, Johann wurde auf St. Johannis gefunden.“ Die Stimme des Jungen zitterte vor Erregung, er war bleich geworden.
„Nein! Es war nicht Johann!“
„Wer war es dann? Nun reden Sie schon ...“
„Vermissen Sie noch einen Ihrer Freunde“, fragte Franz schnell. Es kostete ihn alle Kraft, das Taktieren
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