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Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition)

Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition)

Titel: Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carola Herbst
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den Raum betrat und freundlich begrüßt wurde.
    „Meine Herren“, sagte Flotow mit erhobener Stimme, „Seine Königliche Hoheit lässt ausrichten, das scheußliche Wetter sei leider nicht abzuschaffen.“ Als er verblüfft angestarrt wurde, setzte er hinzu: „Das sollte eigentlich ein Scherz sein.“
    Erleichtertes Gelächter folgte.
    Als es verebbte, fragte Borowsky: „Wie wollen Sie eigentlich Ihr Gut bewirtschaften, wenn Ihre Leute in die Freiheit gerannt sind.“ Er lächelte mokant.
    Maltzahn lächelte ebenso. „Was denken Sie, wie weit die laufen werden, Baron von Borowsky?“
    „Oh, ich nehme an, genau bis zur Schwelle der Kate, die Ihnen gehört. Wenn sie dann am Tisch, auf den Stühlen sitzen ...“
    „Die mir auch gehören“, warf Maltzahn ein.
    Borowsky nickte und fuhr unbeirrt fort: „ ... werden sie es mit der Angst zu tun bekommen, das Dach über dem Kopf zu verlieren, das ihnen gestern noch so gering erschienen war. Und sie werden sich für die paar Groschen, die ab morgen ihr Tagelohn sein werden, mächtig ins Zeug legen, um Ihrem Verwalter zu gefallen.“
    „So in etwa, mein lieber Baron“, bestätigte Maltzahn.
    Während des Zwiegespräches war es still geworden. Nicht nur der Graf saß mit offenem Mund da.
    „Anfang des Sommers ist mir Folgendes passiert, meine Herren“, erklärte Maltzahn aufgeräumt. „Wie gewöhnlich fing es zur Heuernte an zu regnen. Das Heu wurde gewendet, zu Haufen geschichtet, wieder zum Trocknen auseinandergeworfen, na ja, Sie kennen das ja. Schließlich war ich glücklich, einige Fuder einfahren zu können, und bestellte bei meinen Vollbauern vier Gespanne zum Dienst, jedes mit zwei Leiterwagen. Wie immer ging mir alles viel zu langsam vonstatten, zumal eine schwarze Wolkenwand aufzog. Als es anfing zu tröpfeln, waren vier Fuder zur Scheune unterwegs und meine Einlieger beluden die Wagen, die auf der Wiese geblieben waren. Nur achtete niemand darauf, welche Wagen zu welchen Gespannen gehörten ...“
    „Ich weiß, wovon Sie reden, mir ist es genauso ergangen“, krähte jemand im Hintergrund.
    Maltzahn nickte ihm zu. „Also, das erste Gespann kam zurück und der Knecht spannte die Zugtiere vor einen Wagen, der erst zu einem Viertel beladen war. Ich regte mich furchtbar über den Tölpel auf und stellte ihn zur Rede, warum er die Pferde nicht vor den vollen Wagen spanne. Der zuckte nur die Achseln und meinte gleichmütig, das sei nicht seiner und keine Macht der Welt könne ihn zwingen, nicht mit dem eigenen Geschirr seinen Dienst abzuleisten. Ich konnte so viel toben, wie ich wollte, jeder spannte seine Pferde nur vor den Wagen, den er auch auf die Wiese geschafft hatte. Und das Ende vom Lied war: Mir regnete das volle Fuder ein und die halbvollen noch dazu.“
    Die Schilderung löste allgemeine Heiterkeit aus.
    „Wir hoffen, Sie halten das schadenfrohe Gelächter aus“, unterstellte Borowsky.
    „Wenn nicht, hätte ich die Geschichte gewiss nicht so freimütig zum Besten gegeben“, bemerkte Maltzahn. „Ich wollte nur aufzeigen, wie uneffektiv die Hand-, Spann- und Fahrdienste von Leibeigenen sein können.“
    „Aber wie soll eine Alternative aussehen?“, wurde gefragt.
    „Wie gesagt, die meisten werden nicht mit geschulterten Bündeln fortrennen. Wohin auch“, stellte Maltzahn fest. „Ich werde also die, die ich brauchen kann, und nur die“, schränkte er ein, „in Stellung nehmen. Mit dem verdienten Geld, zuzüglich der Deputate, die ich weiterhin als Bezahlung ansehe, wie Korn, ein Dach über dem Kopf, Gartenland, Ackerland für eine und eine halbe Kuh, Brennholz sowie Ackergeräte und Zugvieh können sie ihre Familie ernähren. Und ich muss mich nicht mehr sorgen, für jeden zahnlosen Alten Arbeit und Brot zu beschaffen. Glauben Sie mir, die im Saft stehenden Männer werden schuften wie die Ochsen beim Pflügen, um ihre Familien zu ernähren. So haben sie einen Anreiz, gutes Geld zu verdienen.“
    Der Graf begriff sofort die Raffinesse, die sich hinter Maltzahns Vorhaben verbarg. Die ehemals Leibeigenen blieben weiterhin abhängig, weil die auf dem Papier erklärte Freiheit wie ein Damoklesschwert über ihren Köpfen schwebte. Sie bedeutete nichts anderes als die Entlassung in eine ungewisse Zukunft und die Aussicht, sich in das ständig wachsende Tagelöhnerheer einreihen zu müssen. Ein junger kräftiger Bursche mochte sich noch recht und schlecht durchschlagen, aber was war mit einem Mann mit Familie? Wo sollte die bleiben, wenn der

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