Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition)
Tür hinter sich zu.
Mona Lisas Lächeln begrüßte Franz. Im Grunde seines Herzens hatte er Mudder Schultzen längst die Verdächtigungen verziehen, die sie ihm ohne jede Scheu und voller Entrüstung entgegengeschleudert hatte. Außerdem barg die Angelegenheit einen Vorteil: Ohne sich mit umständlichen Erklärungen aufhalten zu müssen, konnte er sofort zur Sache kommen – auf Alan MacPherson de Lapérouse.
Die Wirtin war die Liebenswürdigkeit in Person. Sie häufte Franz ein Stück Kirschkuchen nach dem anderen auf den Teller und freute sich ehrlich über seinen gesunden Appetit.
Ihren wortreichen Entschuldigungsversuch hatte er unterbrochen und zugegeben, er habe Etliches vor ihr verheimlicht und daher sei er nicht ganz unschuldig an dem Missverständnis. Miteinander versöhnt schlürften sie in gemütlicher Eintracht heißen Tee, Kaffee hätte nach Franz’ Meinung zwar besser zum süßen Kuchen gepasst, aber den tischte sie anscheinend nur an Sonntagen und hohen kirchlichen Feiertagen auf.
„Wenn wir schon dabei sind, uns gegenseitig in die Karten blicken zu lassen, Verehrteste ...“, Franz unterbrach sich bei der zuletzt gar nicht gern gehörten Anrede, „ ... dann müssen Sie sich anrechnen lassen, mir Alan MacPherson de Lapérouse vorenthalten zu haben.“ Wie er den Namen im Munde hatte, ließ er sie nicht aus den Augen.
„Ha“, entgegnete sie in ihrem altbekannten Tonfall, „woher hätte ich wissen sollen, dass der wichtig für Sie ist. Er hat nicht mehr in meinem Haus gewohnt, als Sie bei mir aufgetaucht sind.“
„Und jetzt wird es interessant. Wann haben Sie ihn das letzte Mal gesehen?“
„Gestern“, gab die Wirtin achselzuckend zurück.
„Wie gestern?“, fragte Franz völlig verblüfft. Er hatte mit einer Vier-Wochen-Frist gerechnet.
„Als wir, na Sie wissen schon, auseinandergegangen sind“, umschrieb sie diplomatisch den gestrigen Streit, „ist er mir über den Weg gelaufen. Glücklicherweise hat er mich nicht bemerkt. Da bin ich hinter ihm her, weil ich wissen wollte, ob er die Frechheit besitzen würde, in meiner Abwesenheit mein Haus zu betreten.“ Ihre Augen funkelten streitlustig.
Franz starrte sie an, lauschte gebannt auf jedes Wort. Er war noch gar nicht fähig, die Tragweite dessen in seiner eigentlichen Dimension zu begreifen. Während sein Verstand nach wie vor mit dem Schlimmsten rechnete, beschleunigte sich sein Herzschlag. Plötzlich konnte er freier atmen.
„Der Taugenichts hat die Miete nicht bezahlt, und seitdem Johann ihm nicht mehr aushilft ...“ Sie hielt inne und sah Franz verstört an.
„Bitte“, sagte er mit einer einladenden Geste, „fahren Sie fort. Die kleinste Kleinigkeit kann wichtig sein.“
Mudder Schultzen zupfte an ihren Schürzenbändern, die sie vor dem Bauch verknotet hatte. „Johann ist ein Glücksfall für mich. Heutzutage ist es nicht leicht, zahlungsfähige Untermieter zu finden, wissen Sie.“ Verständnis heischend sah sie ihn an. „Oft genug muss ich hinter den anderen Burschen her sein wie der Teufel hinter der Seele.“ Kaum waren ihr die Worte über die Lippen geschlüpft, presste sie eine Hand vor den Mund. Sie starrte zum Kamin, als erwarte sie dort den Leibhaftigen persönlich.
„Das waren gewiss nur wieder Ratten“, beschwichtigte Franz. Aber auch er hatte ein Geräusch gehört. Um seine Wirtin zu beruhigen, stand er auf und steckte den Kopf in die rußgeschwärzte Esse, konnte jedoch nichts Verdächtiges entdecken.
„Alles in Ordnung“, meinte er lächelnd.
Davon schien Mudder Schultzen nicht überzeugt, und die Alternative zum Fürsten der Finsternis gefiel ihr ebenso wenig.
„O Gott, und Sie wollen heute noch weg. Ich soll die Nacht allein in diesem Haus zubringen?“, fragte sie bestürzt.
Franz war irritiert, weil er angenommen hatte, sie als langjährige Witwe sei ans Alleinsein gewöhnt und es mache ihr wenig aus. Sie vermiete, damit sie ihren Lebensunterhalt bestreiten könne.
Aber das schien nur die halbe Wahrheit zu sein. Die Gesellschaft anderer Menschen war ihr offenbar wichtig, vielleicht sogar am wichtigsten.
„Auf meinem gestrigen Ritt nach Doberan habe ich in einem Dorf eine Hündin mit ihrem Wurf beobachtet. Die Welpen rauften sich um einen ziemlich fetten Nager. Soll ich den Herrn der Rasselbande fragen, ob er mir ein Hündchen verkaufte?“
Ihre Augen leuchteten auf, allerdings nur kurz, dann machte sich Besorgnis auf ihren Zügen breit. „Wie viel mag er für so einen Rattenfänger
Weitere Kostenlose Bücher