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Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition)

Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition)

Titel: Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carola Herbst
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Goltzow.
    Franz’ Augen weiteten sich. Das war es also, was Ernst so zu schaffen gemacht hatte, dachte er.
    Als er merkte, sein Gegenüber mit offenem Mund anzustarren, senkte er die Lider und presste die Lippen fest aufeinander. Dann bedachte er Goltzow mit einem abschätzenden Blick, weil er überzeugt war, der Beamte wisse um seinen engen Kontakt zu Doktor Ahrens. Zudem dürfte Golzow dem Protokoll zur Obduktion des Kopflosen entnommen haben, wer Professor Josephis Assistent gewesen war. Franz’ Gedanken wanderten sofort zu Ernst. Inzwischen fragte er sich besorgt, ob er hier einem hinterhältigen Test unterzogen werde, in dem es um die Integrität des Arztes ging.
    Oder hatte Goltzow einen versteckten Hinweis geben wollen?
    Franz war noch nachträglich froh, seine unerhörte Bitte an Ernst zurückgenommen zu haben. Erst jetzt bekam er eine Vorstellung davon, in welchen Gewissenskonflikt er seinen Freund gestürzt hatte.
    „Und noch etwas zwingt mich zu der Annahme, dass es sich bei dem Empfänger des Briefes um Ihren Bruder handelt. Er ist an eine Adresse in Oxford gerichtet, vorangestellt ist das Kürzel J. F. K.“
    „Aber das ist doch großartig!“, rief Franz. Plötzlich fühlten sich seine Schultern von der unsichtbaren Last befreit, die er ständig mit sich herumgetragen hatte. Aber die Freude hielt nicht lange vor. Franz musste zur Kenntnis nehmen, die frohe Botschaft korrespondiere nicht mit der sorgenvollen Miene des Kommissärs. Sein Lächeln erstarb. „Was stand noch in dem Brief?“, fragte er.
    „Ich habe es für meine Pflicht gehalten, Ihnen mitzuteilen, Ihr Bruder halte sich gegenwärtig mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit in England auf“, ließ Goltzow mit der Würde seines Amtes und einer gewissen Unnahbarkeit verlauten. „Alles andere unterliegt der Geheimhaltung, damit die weiteren Ermittlungen nicht gefährdet werden.“
    Das hörte sich bedrohlich an!
    Franz stützte seine Ellenbogen auf die Knie und vergrub sein Gesicht in den Händen. Zwischen gespreizten Fingern starrte er auf den schäbigen Boden zu seinen Füßen.
    Der gelbe Aktendeckel rückte in sein Bewusstsein. Es war davon auszugehen, der Inhalt der Mappe berühre auch Johanns Belange, was sollte der Bruder sonst für einen Grund gehabt haben, die Aufzeichnungen im Sekretär wegzuschließen. Doch die Vermutung wurde bereits von Franz’ nächstem Gedanken untergraben. Wenn Lapérouse einen Schlüssel zu Johanns Zimmer hatte machen lassen, könnte er dann nicht auch einen für das zierliche Möbel besitzen? Er hätte den Ordner auch ohne Johanns Wissen deponieren können. Vielleicht erschien ihm die eigene Unterkunft nicht geeignet, um seine Aufzeichnungen vor unbefugtem Zugriff zu schützen.
    Weiterhin blieb zu klären, weshalb Lapérouse die Mappe nicht an sich genommen hatte, als er ausgezogen war? Hatte er keine Gelegenheit erhalten? Und wie war das später, als er Mudder Schultzens Haus ein weiteres Mal aufgesucht hatte. War es möglich, dass er zu diesem Zeitpunkt noch nicht gewusst hatte, wo Johann die Aufzeichnungen verwahrte? Oder besaß er doch keine Schlüssel zu Johanns Bleibe? Oder traf gleich beides zu? Aber konnte es nicht ebenso gut möglich sein, dass die Unterlagen erst an diesem bewussten Tag deponiert worden waren?
    Verdammt, dachte Franz, ich werd noch verrückt.
    Er musste sich bezähmen, den gelben Pappdeckel nicht an sich zu reißen und den französischen Text vor den Augen des Kommissärs zu lesen. Gott sei Dank stellte ihn diese Aufgabe nicht auch noch vor Probleme.
    Offenbar dauerte Kommissär Goltzow Franz’ Niedergeschlagenheit, denn er fügte hinzu: „Es muss nicht heißen, Ihr Bruder hätte zwangsläufig etwas mit dem ...“, er zögerte, als suche er nach geeigneten Worten, „ ... bedauerlichen Todesfall in der Familie Kägler zu tun. Doch ich bitte Sie, auch mich zu verstehen! Ich darf Ihnen keine Anhaltspunkte liefern, die Täterwissen berühren.“
    Franz schluckte. Goltzow hätte sich nicht in so geschäftsmäßiger Form ausgedrückt, wenn er keinen begründeten Verdacht hegte. Demnach war keine Zeit mehr zu verlieren.
    Franz erwartete sehnsüchtig die Ankunft in Doberan. Er meinte, keine Minute länger in dem gemächlich dahinrollenden Gefährt aushalten zu können. Und während er sich zur Ruhe mahnte, kehrten seine Gedanken zu der elfenbeinfarbenen Dame zurück. Es war ihm Bedürfnis, auszusprechen, was ihn bedrängte: „Haben Sie Frau Kägler in Gewahrsam genommen?

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