Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition)
Oder dürfen Sie mir das auch nicht sagen?“
„Sie steht unter Hausarrest. Besuch zu empfangen, der zuvor nicht genehmigt worden wäre, ist ihr untersagt.“
„Und wenn ich vorhätte, der Dame einen Kondolenzbesuch abzustatten, werde ich vermutlich nicht vorgelassen“, orakelte Franz.
„Vermutlich“, stellte Goltzow ungerührt fest.
Franz lehnte sich resigniert zurück. In welche Richtung er sich auch wandte, immer und überall prallte seine aufkeimende Hoffnung auf ernüchternde Tatsachen. Sicher Geglaubtes löste sich in nebulösen Vermutungen auf. Nur eines war tröstlich: Er konnte seinem Vater mitteilen, Johanns Spur führe nach England. Das sollte ihn immerhin aufmuntern und zu weiteren Recherchen ermutigen.
Unbewusst senkte sich seine Hand besitzergreifend auf den gelben Pappdeckel.
„Sind wir schon am Barnstorfer Wald vorbeigekommen“, fragte er seinen Gedanken nachhängend. Unvermittelt tauchten vor seinem geistigen Auge Fechtkämpfer auf, die im nächsten Augenblick Pistolen aufeinander richteten. Glücklicherweise fiel keine Gestalt seines Tagtraumes.
„Dazu hätten wir über Barnstorf und Lambrechtshagen fahren müssen. Aber der Weg ist umständlich und schlecht obendrein.“ Goltzow blickte ebenfalls aus dem Wagenschlag. „Wir sind gleich in Parkentin“, stellte er fest. „Damit hätten wir über die Hälfte der Strecke nach Doberan hinter uns gebracht.“
Während Goltzow ehrlich erfreut schien, gut voranzukommen, löste seine Feststellung bei Franz Bestürzung aus. Er zog seine Taschenuhr hervor, die er sonst nicht bei sich trug, wenn er in Uniform war. Entnervt schaute er auf den Zeitmesser.
„Haben Sie Termindruck? Soll ich den Kutscher anweisen, schneller zu fahren?“, bot Goltzow an.
Franz nickte froh. Wie zur Bestätigung, in geruhsamem Tempo unterwegs zu sein, preschten linker Hand verschwitzte Pferde vorüber. Die Tiere zogen eine schlammbespritzte Droschke. Franz genügte ein Blick, um festzustellen, wer der Insasse des Gefährts war.
„Donnerwetter, der hat es aber eilig“, meinte Goltzow beeindruckt. Aber er beließ es nicht dabei, sondern beugte sich aus dem Wagenschlag, um dem Kutscher verständlich zu machen, die Meilen doch auch etwas schneller hinter sich zu bringen.
Franz wurde von dem Ruck, den die angaloppierenden Pferde verursachten, an die Rückenlehne gepresst. Er setze sich zurecht und registrierte zufrieden, nicht nur schneller voranzukommen. Das Gerüttel und Gepolter erübrigte auch die Fortsetzung der Unterhaltung.
Franz nickte Goltzow dankbar zu und fieberte der Ankunft in Doberan entgegen.
Alan MacPherson de Lapérouse
Der Regen hatte mit plötzlicher Heftigkeit eingesetzt, so dass sich jedweder Aufenthalt im Freien mit Rücksicht auf die Damen verbot. Johanna und Margitta hatten sich bereits schmollend unter der Empfehlung Baronin von Plessens zurückgezogen, den eigenen Horizont mit Hilfe eines guten Buches zu erweitern.
Wenn Franz es auch bedauerte, Margittas Gesellschaft so schnell einzubüßen, sandte er doch ein Stoßgebet gen Himmel und dankte dem Herrn für die glückliche Fügung. So brauchte er sich keine fadenscheinigen Entschuldigungen auszudenken, um sich zum Durcharbeiten der Unterlagen zurückzuziehen.
Im Hauptgebäude des Logierhauses herrschte reger Betrieb. Die Spielbank war prallvoll mit Leuten, die meinten, die Glücksgöttin stünde direkt hinter ihnen und schütte jeden Moment ihr Füllhorn über ihnen aus. Dazu zählte offensichtlich auch Lapérouse, den Franz in einer Runde von konzentrierten Kartenspielern entdeckt hatte. Er saß mit glänzenden Augen beim Pharao und hatte in kurzer Zeit bereits einen beachtlichen Gewinn eingestrichen. So wie der junge Mann aussah, hatte er den Anlass für seine nachmittägliche Reise ins Seebad bereits vergessen.
Franz glaubte, ihn eine Weile sich selbst überlassen zu können, fände ihn am selben Platz wieder. Fortuna ließe ihn gewiss nicht vorzeitig im Stich und verschenke ihre Gunst an einen anderen Glücksritter. Eines wusste Franz aus vielfachem Erleben: Richtige Spieler hörten nicht eher auf zu setzen, bis auch der letzte Taler verloren war, wobei die in der Goldbank nicht einmal genommen wurden, hier ging nichts über Gold. Vielfach nutzten die Unentwegten sogar die Möglichkeit von Schuldverschreibungen. Es blieb jedoch zweifelhaft, ob Lapérouse kreditwürdig sei.
Franz suchte auch noch kein Treffen mit seinem Vater. Besagte Fügung richtete es glücklicherweise
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