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Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition)

Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition)

Titel: Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carola Herbst
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den Verdacht widerlegen lassen, bei dem Kasten handle es sich um ein Futteral für Duellpistolen. Aber Jochen konnte die Sache nicht aufklären, deshalb ließ Franz den Jungen weiterplappern: „Ich hörte Schritte! Die alte Hexe, die mit ihrem Stock auf dem Flur rumschlich, kam mir unheimlich vor.“
    Das entsprach gewiss der Wahrheit.
    „Ich dachte mir, wenn ich die Alte von den Füßen hole, könnte ich entwischen. Als Sie mit dem Dolch hinter mir her sind, hab ich mir vor Schreck fast in die Hose gemacht“, gab er kleinlaut zu.
    „Dann warst du in deinem Gefängnis ja gut aufgehoben“, entgegnete Franz trocken. Ein tiefer Seufzer lieferte die Bestätigung und Franz musste sich trotz besorgniserregender Neuigkeiten derb auf die Unterlippe beißen.
    Während der Junge hoch und heilig schwor, niemals wieder in fremde Häuser einzusteigen und darum bettelte, der Herr Offizier möge Gnade vor Recht ergehen lassen, überlegte Franz angestrengt, wie er Jochen loswerden könne, ohne dass der Junge Schaden nahm. Es war anzunehmen, Alan sei ihnen gefolgt, deshalb durfte Jochen nicht einfach seinem Schicksal überlassen werden.
    Franz dachte nicht daran, sich von dem geheimnisvollen Zimmernachbarn seines Bruders überraschen zu lassen. Er musste gut vorbereitet sein, wenn er dem wichtigsten Zeugen zu Johanns Verbleib begegnete. Also war die Unterstützung eines guten Freundes angebracht. Franz dachte an Christian, den er in gut zwei Stunden in Doberan treffen wollte. Er ging davon aus, Alan bliebe ihm auf den Fersen, vorausgesetzt, er ließe seinen Verfolger wissen, die begehrten Unterlagen bei sich zu tragen.
    Franz musterte Jochens verschlissene Kluft. „Hast du in der Stadt ein richtiges Zuhause“, fragte er.
    Jochen antwortete unverzüglich mit einem kräftigen Nicken.
    „Und wo kann ich dich abliefern? Ich habe ein ernstes Wort mit deinem Vater zu reden.“
    Jochen erschrak sichtlich, seine Miene hellte sich erst auf, als er achselzuckend bemerkte: „Ich habe keinen Vater.“
    „Dann mit deiner Mutter“, schlug Franz vor.
    Aus Jochens Gesicht verschwand die Zuversicht, ungeschoren davonzukommen. „Ich schlafe im Catharinenstift“, sagte er in einem Tonfall, der Franz aufhorchen ließ. Resignation, Traurigkeit und Selbstverachtung schwangen darin.
    Franz atmete tief durch. Also war Jochen eine Waise oder ein Kind, dessen Eltern nicht für ihn aufkommen konnten. Er war zu einem Burschen herangewachsen, der sich mit Taschendiebstahl und Gaunereien den Alltag versüßte. Zumindest riss ihn der Nervenkitzel beim Beutelschneiden aus der täglichen Langeweile, lenkte ihn ab von der Aussichtslosigkeit, die ihn im Armen- oder Waisenhaus umgab. Der Junge visierte eine Karriere als Dauerinsasse von Arbeits- oder noch schlimmer – Zuchthäusern an, die aber auch am Galgen enden könnte.
    „Wo ist das Catharinenstift?“, fragte Franz knapp.
    Jochen blieb einen Augenblick zu lang die Antwort schuldig. Franz wollte nicht Gefahr laufen, an der Nase herumgeführt zu werden. Doch dann fiel ihm ein, es gäbe eine weitaus bessere Gelegenheit, den Jungen vor Lapérouse in Sicherheit zu bringen. Die Amtsstube von Kommissär Goltzow befand sich nur zwei Straßen entfernt.
    Er bog in eine Seitenstraße ein. Bei der jähen Wendung nahm er aus den Augenwinkeln einen großen, elegant gekleideten Mann wahr, der einen Spazierstock bei sich trug. Auch Jochen musste die Gestalt gesehen haben, denn er zuckte zusammen.
    „Keine Angst!“, zischte Franz. „Wie schnell kannst du laufen?“
    „Sehr schnell“, meinte der Junge und stellte es sofort unter Beweis. Die beiden spurteten durch die Querstraße. Entweder war der Junge ein geborener Läufer oder sein Berufsrisiko hatte ihn dazu gemacht. Jedenfalls hatte Franz Mühe, mit ihm Schritt zu halten. Er gab die hinderliche Umklammerung auf und fasste den Jungen mit eisenhartem Griff bei der Hand. Weniger, damit er nicht abhanden käme, Franz wollte nicht dafür verantwortlich sein, dass Jochen etwas zustieße.
    Die nächste Straße war belebt, dort begnügten sie sich mit einem zügigen Schritt. Jochen war zu aufgeregt, um zu begreifen, was seine Militäreskorte vorhatte und Franz richtete es so ein, dass Lapérouse seinen Uniformrücken noch zu Gesicht bekam, bevor er den überraschten Jungen geradewegs in die Polizeipräfektur schob.
    Wieder einmal traf man den Diensthabenden mutterseelenallein an. Beim Anblick des gelangweilten Mannes hinter der Balustrade kam Franz der Verdacht,

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