Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition)
fehl und geriet ins Schwanken. Franz parierte, allerdings musste er einen Schritt zurückweichen und sank ebenfalls bis zum Knie ein. Lapérouse riss ihn im Fallen mit um. Franz ließ seinen Säbel fahren, mit dem er im Nahkampf nicht viel anfangen konnte. Er warf sich dem Angreifer entgegen und versuchte, seinem Gegner die Waffe zu entwinden. Die Kämpfenden rollten sich schnaufend über die Hügel und Täler der Heulagen. Franz befreite sich mit Mühe aus einer hoffnungslos scheinenden Umklammerung und warf Lapérouse auf den Rücken, ohne das Gelenk der waffenführenden Hand loszulassen. Er presste die schlanken Knochen unerbittlich zusammen, bis sich die verkrampften Finger öffneten. Lapérouse sah ungläubig zu, wie ihm die Waffe entglitt. Wut blitzte in seinen Augen auf. Er bäumte sich mit der Verzweiflung des Unterlegenen auf und rammte seinen Schädel mit ungebremster Wucht in Franz’ Gesicht. Der Aufprall war heftig, Franz sah nur noch Schwärze, in der Lichtpunkte explodierten. Aber er verlor nicht das Bewusstsein, auch nicht das Bewusstsein für die Gefahr, der er ausgesetzt blieb. Er ließ sich seitlich fallen, um so einem eventuellen Degenstich auszuweichen. Doch sein Gegner verkrampfte unter ihm, verharrte bewegungslos am Kampfplatz, was Franz nicht ohne weiteres einordnen konnte. Inzwischen rann ihm ein warmer Strom aus der Nase.
„Auf die Knie und Hände auf den Rücken!“, sagte eine bekannte Stimme in nächster Nähe. Franz blinzelte, rollte sich zur Seite, damit Lapérouse Christians Aufforderung Folge leisten könne. Der Pistolenlauf an Lapérouses Schläfe hatte den Kampf entschieden.
Franz konnte schon wieder klare Gedanken fassen, obwohl die Heuberge nach wie vor bedenklich schwankten und er nicht mal auf den Füßen stand. Mit einer Hand fasste er sich benommen an den Kopf, mit der anderen nestelte er ein Tuch hervor, um die Blutung zu stillen. Christian warf ihm mit lässigem Schwung einen Strick in den Schoß.
„Hier, zuerst sollten wir den aufmüpfigen Falschspieler dingfest machen, bevor du eigene Wunden lecken kannst“, bemerkte er unter einem mitleidigen Blick auf Franz’ Nase, die unförmig anzuschwellen begann.
Franz rappelte sich gehorsam auf und kroch auf allen vieren in den Rücken seines Gegners. In diesem Moment der Besinnung war er Christian für dessen Weitsicht überaus dankbar. Mit geübtem Griff schlang er den Strick um Lapérouses Handgelenke. Er arbeitete verbissen mit nach vorn gebeugtem Kopf. Erst jetzt setzten die Schmerzen richtig ein. Während er auch die Füße seines knienden Gefangenen fesselte, tropfte Blut aus seiner Nase. Der metallene Geschmack des Blutes, die fast schwarz wirkenden Tropfen auf jenen Händen, von denen Hans-Georg so geschwärmt hatte, und starke Schmerzen schürten Franz’ Wut. Er ließ sich dazu hinreißen, fester am Strick zu zerren, als es notwendig gewesen wäre. Lapérouse stöhnte auf.
„Das Paket ist verschnürt“, stellte Franz zufrieden fest. Er setzte sich einfach ins weiche Heu, betastete vorsichtig seine Nase und starrte verdrossen Lapérouse an. Immerhin hatte er zum ersten Mal Gelegenheit, den Mann eingehend zu betrachten. Er gestand seinem Gegner zu, sogar in dieser entwürdigenden Verpackung Eleganz auszustrahlen. Eine hohe Stirn, darunter eine leicht gebogene Nase und ein starkes, selbstbewusst gerecktes Kinn zeichneten im vagen Licht des fortgeschrittenen Nachmittags ein Profil wie in Scherenschnitttechnik. Fast zwangsläufig drängte sich Franz die Erinnerung an Hans-Georgs Versuch auf, genau diesen Ausdruck zu kopieren.
Lapérouse warf hochmütig den Kopf in die Höhe, um sich das schwarze Haar aus der Stirn zu schütteln. Er ignorierte Franz in einer schon unverschämten Weise, stattdessen schaute er Christian vorwurfsvoll an, der auf dem unsicheren Untergrund einen Schritt zurückgetreten war.
„Gutes timing“, sagte Lapérouse anerkennend.
Seine Stimme war dunkel und weich, und ließ keinerlei Rückschlüsse auf seine Gemütslage zu.
„Ich darf liebe Grüße von Hans-Georg Köster bestellen.“
Franz’ beinahe fröhlicher Einwurf brachte Lapérouse aus der Fassung. Er warf den Kopf herum und starrte Franz ungläubig an. Sein Mund öffnete sich, eine Erwiderung blieb jedoch aus.
„Falls Sie noch Gelegenheit dazu bekommen, sollten Sie sich unbedingt bei dem Jungen melden. Er macht sich Sorgen um Ihr Wohlbefinden, Herr MacPherson de Lapérouse, so war doch der werte Name, wenn ich mich recht
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