Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition)
der Professorenfamilie aufzuwarten.
Franz nickte still. Genauso muss es gewesen sein.
„So, das hätten wir!“ Zufrieden mit der eigenen Arbeit wischte sich Gribnitz mit einem Putzlumpen über die schmutzigen Finger. Er holte ein riesiges Schlüsselbund aus seiner Werkzeugkiste, musterte zunächst das Profil des Schlosses, um dann zielsicher einen Schlüssel aus dem Bund zu greifen. Er nestelte ihn lose und probierte ihn aus. Der Mechanismus funktionierte einwandfrei.
„Sie verstehen Ihr Handwerk“, lobte Franz.
„Das will ich meinen, bei 40 Jahren im Geschäft“, gab Gribnitz zurück. „Schönen Tag auch, junger Mann. Und sehen Sie zu, dass Sie bald wieder aus den Augen gucken können.“
Franz hatte nur noch einen finsteren Blick für den Rücken des Handwerkers übrig, der gut gelaunt vor sich hin pfeifend die Treppe hinunterpolterte.
Franz blieb auf dem Flur zurück. Sein Blick heftete sich auf die anderen beiden Türen, in denen die neuen Schlüssel steckten.
So eine Gelegenheit gibt es nie wieder, sagte ihm sein Instinkt fürs Wesentliche.
Er lehnte sich gegen die Wand und streifte seine Stiefel ab. Auf Strümpfen schlich er zu Käglers Tür, die nur angelehnt war. Ohne lange zu überlegen, schlüpfte er in das Zimmer. Er sah sich schnell um und stellte fest, dass der Raum ähnlich eingerichtet war wie das Nachbarzimmer. Vor dem Kleiderschrank blieb Franz stehen und er öffnete ihn sehr langsam und sehr behutsam, damit ihn ein unverhofftes Knarren oder Quietschen nicht verrate. Ihm fiel auf, dass die Einfachheit der Unterkunft nicht mit dem Inhalt des Schrankes korrespondierte. Kägler jun. legte augenscheinlich gesteigerten Wert auf seine Erscheinung. Mehrere Röcke aus hochwertigem Material hingen dicht an dicht nebeneinander. Franz befühlte anerkennend die Stoffe, doch dann stutzte er. Er zog einen Rock hervor: feines schwarzes Tuch, Kragenspiegel und Ärmelaufschläge abgesetzt mit roten Paspeln, verziert mit zwei Reihen goldfarbener Knöpfe.
Einem Impuls folgend zog er sich den Zweireiher über. Die Ärmel waren zu lang, auch Franz’ Schultern füllten den Rock nicht aus. Beeindruckt wie beunruhigt hängte er ihn zurück in den Schrank. Die Wäschefächer untersuchte er nur mit den Augen, Strümpfe und Unterhosen waren nun mal keine Geheimnisträger.
Er schaute sich um, weiterhin auf der Suche nach persönlichen Dingen, die Aufschluss über Käglers Person geben könnten.
War der Dritte im Bunde ebenso Student gewesen wie die anderen jungen Männer, die unter dem Dach von Mudder Schultzen logierten? Der schwarz-rot-goldene Rock sprach dafür. Aber dann müsste es hier doch Aufzeichnungen geben.
Franz konnte nichts dergleichen finden und ging unverrichteter Dinge. Kurz vor Käglers Tür hielt er mit schmerzverzerrtem Gesicht inne. Er setzte sich auf den Dielenboden, zog sich den Strumpf herunter und untersuchte seinen Fuß. Ein ziemlich großer Splitter war ihm in den Ballen gefahren. Ärgerlich zog er ihn heraus und untersuchte argwöhnisch den Fußboden. Zu seiner Verblüffung entdeckte er unter dem abgetretenen Läufer eine lose Diele, die er ohne große Anstrengung unter der Schwelle hervorziehen konnte.
Er lauschte in den Flur und hörte, wie Gribnitz fluchte, der mit dem Schloss zum Torweg beschäftigt war. Anscheinend machte ihm der Rost zu schaffen, der mindestens hundert Jahre Zeit gehabt hatte für sein zerstörerisches Werk.
Christian und Ernst unterhielten die Wirtin offenbar prächtig oder war es vielleicht umgekehrt? Aber für Franz war das Einerlei, Hauptsache von Mudder Schultzen war nichts zu hören und zu sehen.
„Umso besser“, murmelte er. Seine Finger langten vorsichtig in das Versteck, das gewiss zu einem bestimmten Zweck angelegt worden war. Er stieß auf etwas Hartes und glitt mit den Fingerspitzen über eine angenehm glatte Oberfläche. Das war mit Sicherheit kein rohes Bauholz, das zur Unterkonstruktion des Fußbodens verbaut worden war. Das war sorgsam poliertes Holz!
Ganz behutsam, darauf bedacht keinen Lärm zu machen oder etwas zu beschädigen, zog er seinen Fund hervor. Er förderte einen flachen, ungefähr einen halben Fuß hohen Kasten zutage.
Hastig richtete er alles wieder so her, wie er es vorgefunden hatte und zog sich eilig in Johanns Zimmer zurück.
Der Kasten unter seinem Arm wog doppelt schwer, nicht an eigentlichem Gewicht, vielmehr empfand er seinen Fund wie eine Beute aus einem Raubzug. Nun suchte er hektisch nach einer Möglichkeit,
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