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Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition)

Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition)

Titel: Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carola Herbst
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was für ein Unglück!“, rief sie händeringend. „Er wird doch wieder so ein hübscher Junge wie früher, Herr Doktor?“, erkundigte sie sich, nachdem sie der Geschichte gelauscht hatte, die Franz als Erklärung für seine Verwandlung zum Kinderschreck zum Besten gegeben hatte.
    Ernst verkniff sich ein Grinsen, als er Franz’ bunt schillernde Augenschatten betrachtete. „Selbstverständlich, Frau Schultz. Sie brauchen sich nicht zu beunruhigen“, sagte er, während er das Nasenbein und die Jochknochen seines Freundes betastete.
    „Wenn Sie Ihrem Untermieter etwas Gutes tun wollen ...“
    „Gewiss! Ich helfe gern“, plapperte sie eifrig. Schon stand sie mit einem riesigen Messer bereit und wollte Franz die kühle Klinge auf das verschwollene Gesicht pressen. Ernst hielt ihren Arm auf und fuhr dort fort, wo er unterbrochen worden war: „ ... dann machen Sie ihm mehrmals täglich feuchtwarme Umschläge, damit die Blut-ergüsse schneller zurückgehen.“
    Franz warf Ernst einen wütenden Blick zu, doch im Moment konnte er ihn leider nicht fragen, ob er noch bei Trost sei.
    „Warme Umschläge?“, fragte sie skeptisch. „Meine Großmutter hat jede Beule erfolgreich mit ihrem Küchenmesser weggedrückt. Sie hat immer gesagt ...“
    „Glauben Sie mir, gute Frau“, dämmte Ernst den befürchteten Redeschwall ein. „Kälte wirkt nur, solange die Schwellung fortschreitet. Fertige Blutergüsse wie diese beiden Prachtexemplare ...“, Ernst deutete auf sein Anschauungsmaterial und beschrieb zwei Kreise um Franz’ Augen, „ ... behandelt man am besten mit Wärme. Dabei weiten sich auch die kleinsten Blutgefäße und helfen dabei, diese unschönen Umrandungen verschwinden zu lassen.“
    „Ach ja, wenn Sie das sagen, Herr Doktor, wird es seine Richtigkeit haben“, lenkte Mudder Schultzen ein. Sie verschwand in der Küche, um Feuer zu machen und Kaffee zu kochen.
    „Bist du wahnsinnig“, zischte Franz. Ernst blieb ungerührt und lächelte dem Schwager zu, der sich inzwischen in den Qualm seiner Pfeife gehüllt hatte.
    „Ich dachte, du achtest auf dein Äußeres“, gab Ernst in einem geeigneten Moment zurück. „Ansonsten geht es gut?“, fragte er interessiert und zog eine Augenbraue verdächtig hoch. Franz nickte unter einem Blick an die Zimmerdecke.
    „Was haben Sie eigentlich mit dem Bürschchen angestellt?“, erkundigte sich der bisher so wortkarge Schwager. Die Wirtin hatte ihn als Herr Gribnitz vorgestellt.
    „Ich habe ihn bei der Polizei abgeliefert“, antwortete Franz wahrheitsgemäß, nachdem er ärgerlich hatte einsehen müssen, zu viel von einer Klatschbase verlangt zu haben.
    Ernst und Christian schauten ihn verblüfft an, was er jedoch mit einer unwilligen Handbewegung abtat.
    „Ich hätte ihn zuvor noch ordentlich vermöbelt“, meinte Gribnitz selbstgefällig. „Jedenfalls habe ich mein Werkzeug mitgebracht und werde Herta noch heute die Schlösser erneuern, damit so ein freches Diebsgesindel hier nicht mehr ein- und ausgehen kann.“ Er rieb sich die Hände, spuckte hinein und machte den Eindruck, gleich mit der Arbeit beginnen zu wollen.
    Die drei jungen Männer starrten ihn erschrocken an. Franz hätte nie gedacht, dass Mudder Schultzens Erscheinen ihn auch mal wie eine Erlösung dünken könne, denn sie wiegelte ab: „Nun mal langsam, Otto, erst trinken wir eine schöne Tasse Kaffee miteinander. Wann hab ich schon so viele liebe Gäste im Haus“, stellte sie freudestrahlend fest. Sie deckte flink den Tisch, aber diesmal ließ sie Mona Lisas Lächeln im Schrank.
    Franz hielt es nicht länger auf seinem Stuhl. Er verständigte sich mit einem kurzen Blick mit Christian und entschuldigte sich für einen unvermeidlichen Gang.
    Er musste nicht lange warten, dann war Christian zur Stelle.
    Oben auf der Galerie bereiteten sie sich darauf vor, Lapérouse in Empfang zu nehmen. Sie hatten nur ein Problem: Sie rechneten damit, ihr Gefangener habe sich inzwischen von den Fesseln befreit, sie durften jedoch keinen Lärm machen.
    Franz schloss auf und riss beherzt die Tür auf. Die Bettstatt war erwartungsgemäß leer, Lapérouse nirgendwo zu sehen. Er vermutete, sein Schlafgast presse sich an die Wand neben der Tür, bereit, sich auf jeden zu stürzen, der vorhabe, das Zimmer zu betreten. Um dem aus dem Wege zu gehen, raunte Franz: „Lapérouse, Sie müssen da raus, ein Handwerker will die Schlösser austauschen.“ Franz lauschte. Aus der Wohnung der Wirtin drang angeregtes Geplauder herauf.

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