Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition)
vorzuschießen, damit die Erfindung ausgebeutet werden könne.“
„Erwidert diesem Ausbeuter, dass Erfindungen nicht in meine Branche fallen. Es sei sehr gut möglich, dass er ein zweiter James Watt oder ein Arkwright sei. Ich befasse mich indes nur mit Zucker, Kaffee und Heringen. Weiter reiche mein Horizont nicht. Im Übrigen wünsche ich ihm alles Gute und ich sei ein armer Mann und grüße ihn ergebenst.“
„Der Herr Pastor aus Biestow bittet um einige Beiträge zu einer milden Stiftung.“
Borgwart zog die Brauen hoch.
„Meldet ihm in blumenreichen Ausdrücken, dass dergleichen gegen meine Geschäftsprinzipien sei – aber halt! Der Bruder dieses Pastors ist ja einer unserer besten Kunden. Nein, schickt ihm 10 Taler, sagt, ich sei ein großer Philanthrop und mit ganzem Herzen überreiche ich ihm diese Kleinigkeit. Sie müssen recht viele Worte machen, damit der Glanz der Phrasen die Geringfügigkeit meiner Gabe in etwas verdeckt und empfiehlt mich dann mit frommer Liebe und Ergebenheit. Aber es ist doch entsetzlich, dass man nur Briefe von Advokaten, Erfindern und Geistlichen erhält, gerade von den Leuten, die mich am wenigsten interessieren. Gibt es denn gar nichts Erfreuliches mehr?“
Wendt zog ein Blatt aus dem Stapel, von dem er meinte, es bereite dem Kaufmann reine Freude.
„Ein Herr Gernandt aus Eisenach bestellt 20 Tönnchen Heringe und zwar umgehend.“
„Dieser Mann ist mein Freund. Aber das ist viel. 20 Tönnchen auf einmal? Es muss wenig Durst, mehr Katzenjammer in Thüringen geben. Ist unser Gernandt auch solide? Schreibt ihm, die Heringe sollen baldigst die Elbe hinaufschwimmen. Rimessen auf Rostock wären aber angenehm, denn das Geld sei rar. Empfiehlt mich dem Gernandt mit bewusster und bekannter Freundschaft.“
„Zum Schlusse haben wir noch zwei Briefe von Bankiers aus Leipzig und Amsterdam.“
„Und was wollen die von mir?“
„Die Herren Botterblom & Co. beklagen sich bitter darüber, dass wir schon seit mehreren Jahren einen großen Posten in unserem Kredit stehen hätten, von dem sie uns die höchsten Zinsen vergüten müssen und dass wir so gut wie gar keine Geschäfte mit ihnen machen. Dies könne nicht länger so fortdauern. Wir müssen so gefällig sein und ihre Dienste etwas in Anspruch nehmen. Sie verdienen ja gar nichts an uns usw. Dies schrieben die Amsterdamer. Zur selben Zeit ersuchen uns die Herren Sachs & Partner in Leipzig, über jeden Betrag bei ihnen zu verfügen. Ihre Dienste wären uns unter allen Verhältnissen gewidmet und sie würden sich glücklich schätzen, wenn wir ihre Kapitalien bald und bedeutend in Anspruch nehmen.“
„Schreibt den Leuten, dass ich ihnen für ihr schmeichelhaftes Angebot sehr verbunden wäre. Leider hätte ich aber schon selbst so viel Geld und litte gerade in diesem Augenblicke so entsetzlich an überflüssigen Fonds, dass ich bei bestem Willen von fremden Kapitalien keinen Gebrauch machen könne und es einstweilen der Zukunft überlassen müsse, ob ich einmal zu einem Geschäfte die Hand bieten dürfe. Sollte dieser Fall eintreten, so würde ich mich gern ihrer Offerte erinnern und bliebe indes achtungsvoll usw. der Ihrige.“
„Wir sind fertig!“, rief Wendt und seufzte im Hinblick auf die knifflige Kopf- und Schreibarbeit, die ihn nun erwartete. So manches Mal hatte der Prinzipal ihn überrascht und es würde noch weiterer Jahre der Mitarbeit im Kontor bedürfen, um die verschlungenen Wege der Kaufmannsgedanken zu verinnerlichen, damit sie eines Tages zu den eigenen gehörten.
Einer der Schreiber reichte Borgwart die Hamburger Börsenberichte und der alte Kaufmann vertiefte sich in die Lektüre der Zahlen, die er lieb gewonnen hatte.
Ein Läuten am Torweg kündigte Besuch an und nach einem eindeutigen Wink des Buchhalters erhob sich der Lehrling von seiner ersten Kopierarbeit. Kurz darauf kam er in Begleitung eines stattlichen jungen Mannes zurück. Als der Fremde das Kontor betrat, nahm er kurz den Hut ab und grüßte höflich in die Runde. Dem Lehrling hatte er sein Anliegen bereits vorgetragen, denn Andree winkte ihm zu folgen. Der Prinzipal hatte den Neuankömmling sofort unauffällig gemustert und gab sich den Anschein, als ob er erstaunt sei, weil der junge Herr ausgerechnet ihn sprechen wolle.
„Guten Morgen, Herr Borgwart, Franz von Klotz.“ Franz knallte die Hacken zusammen, zu sehr hatte ihn das Militär geprägt, als dass er bei zivilem Umgang aus seiner Haut hätte fahren können. „Ich komme auf
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