Weisse Haut - Schwarze Haut
unberührt sind, oder die Alten, die keine watoto mehr
bekommen können. Männer sind ebenfalls nicht zugelassen. Sie dürfen die
wanawake nicht sehen, die heute beschnitten werden.“ Kinjija sah sie prüfend
an, wie es Mary vorkam. „Es ist eine geheime Irua. Der Vorgang der tohara ist
etwas sehr Geheimnisvolles und darf von keinem Fremden beigewohnt werden.“
„Was bedeutet das?“
Die Frau stöhnte. „Die mwali werden auf ihr Frau sein
vorbereitet. Früher wurde das jedes Jahr gemacht, dann haben die wazungu es
verboten. Jetzt geschieht es nur noch alle paar Jahre. Die wanawake wünschen es
so, deswegen sind sie heute zwischen zehn und vierzehn Jahren alt. Früher wurde
jeder Jahrgang für sich beschnitten.“
„Warum? Was wird da gemacht?“
Kinjija sah sie an, als wenn sie überlegen müsste, wie
viel sie ihr erzählen durfte. Mary sah zu den anderen Frauen, die beschäftigt
hin- und herliefen, dabei leise sangen. Es war sehr früh am Morgen, da die
Sonne noch nicht richtig aufgegangen war. So ein emsiges Treiben gab es sonst
nie.
„Bei einer Irua wird die Klitoris entfernt, die
Schamlippen beschnitten und anschließend die Vulva vernäht.“
Mary bekam große Augen und sie stellte sich das
schrecklich vor. „Warum?“
„Es dient dazu, dass die mwali unberührt und rein in die
Ehe gehen. Sie sind geachtete wanawake, das ist heute anders.“ Die alte Frau
seufzte laut. „Irua ist einer der Ältesten und Heiligsten unserer Rituale.
Mädchen werden dadurch zur Frau und in den Stamm richtig aufgenommen. Wer sich
früher weigerte, wurde verstoßen. Es galt auch als eine Art Prüfung. Man
benötigt Mut, Kraft, Standhaftigkeit. Hier haben sich einige wanawake geweigert
und haben trotzdem einen Mann bekommen. Ngai meinte es gut mit ihnen.“
Man hörte jetzt laute Gesänge und Kinjija erhob sich.
„Jetzt geht es bald los, da man sich darauf vorbereitet
und auch ich muss noch mit Ngai sprechen.“
Aufrecht eilte sie davon, während Mary ihr nachsah, wie
sie zu der etwas abseitsstehenden Hütte hastete, eine Initiationshütte, wie
Kinjija sie bezeichnete. Sie erhob sich ebenfalls, sprach einige Frauen an, die
sie jedoch alle, wie immer ignorierten. Damned, fluchte sie, sie brauchte
Frauen zum Arbeiten und die veranstalten irgendeinen Hokuspokus. Theresa würde
wieder meckern, wenn sie ohne Hilfskräfte erschien und dann würde sie wieder
zuschlagen, so wie sie es immer tat. Tränen traten ihr in die Augen und Angst
kroch in ihr hoch, während sie zum Ausgang schlenderte. Sie blickte sich um und
bemerkte erst jetzt, dass heute kein Mann zu sehen war.
Wakiuru trat auf sie zu, fasste sie am Arm. „Du musst
gehen, du darfst nicht im Dorf sein.“
„Ich will aber! Ich will sehen, was ihr da macht, außerdem
brauche ich zwei Frauen zum Arbeiten.“
„Du wirst jetzt gehen.“
„Du hast mir nichts zu sagen. Das ist unser Land und …“
„Geh, sofort“, klang es eisig von der jungen Frau, die sie
zum Ende des Dorfrandes schubste. „Komm nicht mehr her und keine Frau wird für
dich arbeiten. Der Bwana hat es verboten“, damit wandte sie sich um und eilte
zurück. Mary blickte ihr wütend nach, grübelte.
Kinjija indessen bereitete sich in der Hütte vor. Bereits
am Morgen hatte sie nach dem Bad im nahe gelegenen Fluss ihren Kopf glatt
rasiert und neu mit Ockerfarbe eingerieben. Jetzt wurde mit weißer Kreide, die
vom Mountain des Gottes Ngai kam, die vorgeschriebenen Symbole gemalt, danach
das gleiche mit schwarzem Ocker, ebenfalls vom Kirinyaga. Dabei intonierte sie
die heiligen, fest vorgeschriebenen Worte, der ersten Frau Mumbi. Als Nächstes
wurde das Werkzeug, verschiedene Eisenklingen überprüft, genauso wie die
heiligen Blätter, welche die bösen Geister in die Flucht schlagen sollten. Eine
Mischung aus Kräutern stand ebenso parat, danebenlag aromatisch riechendes
Blattwerk. Das würden später die mwali zwischen die Beine gebunden bekommen,
ehe man sie in die parat stehende Heilhütte brachte. Daneben eine Kalebasse mit
Kräutermilch.
Der Gesang kam näher, wurde lauter. Ein schöner Singsang
der Freude und des Stolzes. Sie stellte sich wartend in die Türöffnung, sah
Mütter und Tanten der Mädchen, die singend, heiter sich den rituellen Torbogen
aus Blättern und Blumen näherten. Nur die Mädchen durften hindurchgehen. Die
Rinderfelle für die Mädchen lagen bereit, auf dem diese später die Operation
sitzend erlebten. Sie durften dabei nicht wimmern, schreien,
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