Weiße Nächte, weites Land
fasste sich in die Hose, um sich mit schnellen, harten Schüben zu erleichtern. Es dauerte nur wenige Sekunden, bis er das lustvolle Stöhnen, das aus seiner staubtrockenen Kehle dringen wollte, mit zusammengebissenen Zähnen unterdrückte und der warme Saft sein Bein hinablief.
Gleich darauf setzte sein Verstand wieder ein, er sah das Kind, und sein Gesicht überzog sich mit einer flammenden Röte. Was war er doch für ein geiler Bock … rieb sich bis zur Ekstase beim Anblick einer stillenden Frau. Ein Würgen stieg in seinem Hals auf, Widerwillen, gepaart mit Scham und Selbsthass.
Er musste es irgendwie wiedergutmachen, wenn er seine ohnehin ruinierte Selbstachtung – woran die aufsässigen Kolonisten nicht geringe Schuld trugen – nicht völlig verlieren wollte.
Er sah, wie die Frau das Kind an die andere Brust anlegte, holte einmal tief Luft, strich über seine Kutte und schlenderte, die Hände hinter dem Rücken, energischen Schritts auf Veronica Mai zu.
»Oh, verzeiht«, sagte er und hüstelte in die Faust, als sie den Kopf hob und seiner ansichtig wurde. In ihrer Miene war nicht zu lesen, ob er sie erschreckt hatte. Sie schien ganz bei sich und dem Kind zu sein, nickte ihm nur kurz zu.
»Darf ich mich zu Euch setzen?« Auf Förmlichkeiten verzichtete Anton von Kersen generell gegenüber dem Hessenpack, aber in diesem speziellen Falle hielt er eine gewisse Ehrbezeugung für angebracht.
Sie hob die Schultern und wandte sich wieder dem Kind zu.
»Ihr stillt dieses fremde Kind?« Dümmer hätte er das Gespräch nicht eröffnen können, erkannte er in derselben Sekunde, da er das wirklich Offensichtliche aussprach.
Doch zu seiner Erleichterung antwortete Veronica Mai. »Die Mutter hat keine Milch. Es würde verhungern, wenn ich es nicht anlegte. Wir sind übereingekommen, dass ich die Amme für das Mädchen bin.«
»Das … das ist ja ein … recht nützliches Abkommen«, plapperte von Kersen, immer noch innerlich um seine Form ringend.
Doch Veronica schien seine Plumpheit nicht aufzufallen. Als sie ihn anschaute, hielt sich das Lächeln, das sie bislang nur für das Kind gehabt hatte. Von Kersen erkannte, dass sie nicht nur den mächtigsten Busen unter den Kolonistenfrauen hatte, sondern zudem für seine Begriffe außergewöhnlich anziehende Züge. Alles an dieser Frau war breit: ihre Wangenknochen, das Gesicht mit der glatten Haut, der volllippige Mund, die hellbraunen Augen, ihr Becken und Hinterteil. Obwohl sie saß, stellte er fest, dass sie ihn wahrscheinlich um einen halben Kopf überragte. Dass ihm diese Frau nicht zuvor aufgefallen war! Aber … richtig, sie gehörte zu diesem Holzklotz, der mit starrer Miene wie ein aus der Gruft gestiegener Toter herumstapfte.
»Ja, das ist nützlich für alle. Vor allem für das Kind. Es sichert ihm das Überleben.«
»Verzeiht, wenn ich mich einmische …« Von Kersen hüstelte wieder in die Faust. »Aber … Ihr scheint mir wie geschaffen dafür, Euch um Kinder zu kümmern. Wie Ihr hier sitzt … Ihr strahlt ein großes Maß an Stärke und Herzensgüte aus. Ich … ich könnte mir vorstellen, dass Ihr der Kolonie mit diesen Eigenschaften von noch größerem Nutzen sein könnt.«
Veronica Mai hob eine Braue. »Wie meint Ihr das?«
»Nun, wenn einmal die Zimmerleute hier waren und wir … uns eingerichtet haben … Irgendwann werden wir unser Dorfleben aufnehmen, und gewiss wird jemand gebraucht, der sich der Mädchen und Buben annimmt, sei es … vielleicht in einer Art Kinderstube oder im Schulunterricht.«
Veronicas Wangen überzogen sich mit fleckiger Röte, was Anton von Kersen ganz außerordentlich entzückend fand. »Ich kann selbst kaum lesen und schreiben, wie soll ich da Kinder unterrichten …«
Von Kersen stieß ein meckerndes Lachen aus, das sogar in seinen eigenen Ohren unangebracht klang. »Wir werden uns die Arbeit schon nach unseren Talenten aufzuteilen wissen. Gebt Ihr mir nur Euer Wort, dass ich auf Euch zählen kann, wenn ich Pläne schmiede«, bat er, nun wieder ernst.
Veronica schob die Lippen beim Nachdenken vor. »Ja, ich werde Euch gern unterstützen, soweit es mir möglich ist.«
Anton von Kersen erhob sich mit dem Gefühl, mit sich selbst wieder im Reinen und im Gleichgewicht zu sein. »Dann nehmt meinen Rat an und gebt diesem Kind in Euren Armen nicht mehr als die Nahrung, die es braucht. Es saugt sonst alle Kraft aus Euch, die wir hier dringend brauchen.«
Veronica zögerte einen Moment, bevor sie nickte.
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