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Weiße Nächte, weites Land

Weiße Nächte, weites Land

Titel: Weiße Nächte, weites Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Sahler
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»Ihr könnt Euch auf mich verlassen. Eure Ideen klingen ungewöhnlich, aber … Ich freue mich, wenn ich zum Gedeihen der Kolonie beitragen kann.«
    Von Kersen verneigte sich und wandte sich ab, um tief befriedigt in der Wagenburg nach dem Rechten zu sehen und die Faulpelze aufzuscheuchen. Auf einmal schien ihm die Rolle des planvollen Vorstehers wieder zu passen wie maßgeschneidert.

    Wer das Sagen hatte, schien die drei Männer, die eine Woche später johlend wie siegreiche Kämpfer auf den Kalmückenponys im Lager einritten, nicht im mindesten zu interessieren. Ihre Gesichter leuchteten in der schrägstehenden Mittagssonne, die Haare flogen im Wind, die Hufe der Ponys trommelten auf das Steppengras.
    Sofort versammelten sich alle Kolonisten, um sie zu begrüßen. Auch Christina war wieder auf den Beinen und beschirmte die Augen. Sie wollte den Grund für die Freude der drei Heimkehrer erfahren.
    Sie kamen nicht allein.
    Hinter ihnen tauchten zwei Russen auf, die nebeneinander auf dem Kutschbock eines Fuhrwagens saßen, der von drei Ponys gezogen wurde.
    Die Kolonisten umringten die Gruppe neugierig. Während sich Daniel an die Russen wandte und gestenreich mit ihnen sprach, stapfte Matthias tatkräftig durch die Wagenburg, um das aufgeschichtete Holz und die halbfertigen, nachlässig zusammengeflickten Hüttenwände zu begutachten.
    Eleonora lief zu ihm, umfasste seinen Arm. »Hast du einen Pfarrer gefunden, der Alexandra taufen kann?« Drängend sah sie zu ihm auf.
    Matthias nickte grimmig. »Nächste Woche kommt einer. War kein leichtes Unterfangen, ihn dazu zu bewegen, die Kolonie aufzusuchen.«
    Eleonora seufzte. »Gott sei Dank!«
    Bernhard baute sich vor den Leuten auf und hob die Arme, damit sie ihre Gespräche einstellten. »Eine Tagesreise von hier entfernt haben wir ein russisches Dorf entdeckt. Die Menschen dort sind uns gegenüber sehr freundlich eingestellt und bereit, uns mit Proviant zu versorgen.«
    Jubel brach unter den Kolonisten aus, manche applaudierten.
    Wieder hob Bernhard die Arme. »Ihr könnt hier gleich bei den beiden, die uns begleitet haben, Brot, Butter, Eier, Fisch, Fleisch und Wodka bekommen – macht euch allerdings darauf gefasst, dass die Preise überteuert sind. Diesen Dienst lassen sich die Russen über die Maßen bezahlen.«
    Die Menschen murmelten empört, und einige begannen, klimpernd die Kopeken zu zählen, die sie stets bei sich trugen. Die meisten hatten sich vorgenommen, die einhundertfünfzig Rubel nicht für die tägliche Versorgung auszugeben, sondern für den Aufbau der Existenz zu verwenden, zumal die Soldaten versprochen hatten, das ihnen zustehende Tagesgeld in regelmäßigen Abständen aus Saratow zu holen.
    Bernhard fuhr fort: »Aber was nicht weniger wichtig ist: Die Russen hier werden uns zeigen, wie wir Hütten errichten können, in denen wir den Winter überstehen.«
    Anton von Kersen löste sich aus der Menge und trat vor Bernhard. »Wir haben bereits angefangen mit dem Hüttenbau. Eure Hände und die der Russen werden dringend benötigt, damit wir rechtzeitig fertig werden.«
    Bernhard schaute über die Köpfe der anderen hinweg zu Matthias, der an einem aus zusammengewickelten Gräsern bestehenden Seil riss und damit eine provisorische Holzwand zum Klappern brachte. Der Knecht schüttelte den Kopf in Bernhards Richtung.
    »Wir werden sehen, was uns die Russen beibringen, und ihrem Vorbild nacheifern. An die Arbeit, Männer!«
    Von Kersens empörte Widerrede überhörten alle, während sie den beiden Russen folgten, die sich mit verschlossenen Gesichtern in ihrer Muttersprache besprachen, bevor sie zu Spaten und Hacke griffen.
    Dann begannen sie, die erste Erdhütte auszuheben.
    Daniel übersetzte für die Kolonisten, was die Russen dabei erläuterten.
    Dass die Zimmerleute noch vor dem Winter kommen würden, sei sehr unwahrscheinlich. Am wärmsten hätten sie es bis zum nächsten Frühjahr in solchen unterirdischen Behausungen, die sie semljanki nannten. Für fünfzehn bis zwanzig Rubel – je nachdem, wie tatkräftig man sie bei der Arbeit unterstützte – würden sie den Kolonisten Erdwohnungen bauen, welche geräumig genug seien, zwei bis drei Familien zu beherbergen.
    Sie gruben etwa zehn Ellen in die Breite und in die Länge und fünf bis sechs Ellen tief in die Erde. Oben darüber spannten sie ein Flechtwerk aus biegsamem Holz, das eine Art Dach bildete. Es war mit Latten verstärkt, mit Tannenzweigen durchwirkt und belegt sowie mit einem

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