Weiße Nana / Mein Leben für Afrika
waren die schlimmsten Stunden meines Lebens. Eine heftige Diskussion entspann sich unter der Bohrmannschaft, die kurz vor der Rebellion stand. Schließlich fasste ich mir ein Herz und sprach mit Engelszungen auf den Operator des Bohrfahrzeugs ein, einem Riesenkerl von einem Mann, bis er sagte: »O.k. Wenn diese weiße Frau aus Deutschland sich so ins Zeug legt und die Leute hier extra eine Straße gebaut haben, um einen Brunnen zu kriegen, und das sogar zweimal, weil der Regen sie beim ersten Mal wieder weggeschwemmt hat, dann müssen wir es einfach noch mal versuchen. Kommt! Wir setzen den Bohrer zwei Meter weiter vor. Mal sehen, ob es dann gelingt.«
Und so geschah es. Doch auch dies gestaltete sich als äußerst schwierig. Apewu liegt am Hang der Kraterwand, und es ist nicht einfach, eine ebene Fläche im Dorf zu finden. Als sich nun dieses mächtige Fahrzeug nach vorne bewegen wollte, gab der Untergrund nach, der Boden rutschte ab, und das Gefährt geriet gefährlich ins Schwanken. Die Arbeiter murrten und wollten nicht mehr, aber ihr Anführer hielt sein Versprechen. Riesige Arme wurden zur Stabilisierung der Maschine ausgefahren, und als sie einigermaßen sicher stand, senkte sie ihren Bohrrüssel erneut in die Erde von Apewu.
Meine Güte, ich platzte fast vor Aufregung. Es musste nun einfach klappen, es
musste
. Ich ging zu Kofi und sagte ihm rundheraus, dass wir nicht in der Lage waren, einen Aufpreis für die zweite Bohrung zu bezahlen. Ich hatte gerade die Summe beisammen, die es brauchte, um einen Brunnen zu bohren, mehr war schlichtweg unmöglich.
Doch er winkte ab. »Wenn wir das hier schaffen«, sagte er, »dann reicht mir die Genugtuung darüber.«
Ich glaube, das ganze Dorf hielt den Atem an. Noch nie habe ich selbst die Kinder so still erlebt. Bei vierundvierzig Metern stießen sie erneut auf Wasser. Als der Bohrer herausgezogen und die Ummantelung eingelassen wurde, da klappte es endlich.
Ich glaube, ich war in meinem ganzen Leben noch nie so erleichtert und glücklich wie an jenem Tag. Ich kann das Gefühl gar nicht beschreiben, ich sagte mir nur immer wieder: »Jetzt müssen meine Leute nicht mehr das Wasser aus dem Bach trinken! Jetzt haben sie sauberes Wasser!«
Dieser Brunnen hat dermaßen viel Kraft und Anstrengung gekostet, dass es bis heute für mich das wichtigste und unglaublichste Projekt geblieben ist, das ich jemals realisiert habe. An jenem Tag haben wir alle geweint vor Freude, sogar Kofi. Jeder lag jedem in den Armen, und mir wurde klar, in Kofi hatten wir einen weiteren Verbündeten für unsere Sache gewonnen.
Am nächsten Morgen ging es weiter. Die Arbeiten rund um den Brunnen, die übernahm wie immer das Dorf. Kofis Mitarbeiter halfen unseren Leuten, aus dem Bohrloch einen richtigen Brunnen zu bauen.
Als schließlich das Gestänge für die Pumpe installiert wurde, da schlug die große Stunde für die vier ältesten Frauen von Apewu.
Wasserholen ist, wie gesagt, Sache der Frauen. Sie entscheiden, wo das lebenswichtige Nass geholt wird, wann und wie viel. Darum hatte Kofi uns einen Tipp gegeben, den wir seither auch in anderen Dörfern befolgen: Den vier ältesten Frauen, die traditionell den größten Respekt im Dorf genießen, wird erklärt, wie der Brunnen funktioniert. Wie er zusammengesetzt ist, und was man tun muss, wenn er einmal nicht funktioniert.
Mit viel Geduld erläuterten Kofis Mitarbeiter unseren vier Damen des Vertrauens die Mechanik des Brunnens und bauten ihn gemeinsam mehrere Male auseinander und wieder zusammen. Den Brunnen zu warten ist eine ehrenvolle Aufgabe, und die Frauen erfüllen sie auch heute noch mit großem Stolz. Werden sie eines Tages zu alt dafür, dann geben sie ihr Wissen an jüngere weiter. Auf diese Weise stärken wir auch die Position der Frauen innerhalb des Dorfes, denn so verfügen sie über ein Wissen, das die Männer nicht haben. Und das Wichtigste ist: Sollte etwas nicht funktionieren, dann kann sich das Dorf selber helfen. Mit dieser Methode sind wir bislang immer gut gefahren.
Was für eine wunderbare Einrichtung das ist, wurde mir erst neulich wieder bewusst. Bei einem Besuch in Apewu stürmte eine jener Frauen auf mich zu und rief: »Nana, Nana, du glaubst nicht, was passiert ist!«
Und dann erzählte sie mir atemlos, dass man sie neulich ins Nachbardorf holte, weil dort der Brunnen nicht mehr funktionierte. Sie konnte das Problem lösen und das Wasser wieder zum Fließen bringen. Dafür erhielt sie sogar 15 Cedi Honorar,
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