Weiße Nana / Mein Leben für Afrika
es?«, will ich wissen. »Du musst mir alles erzählen.«
»Großartig«, sagt Emmanuel, »du hättest dabei sein sollen.«
Natürlich wäre ich das auch gerne gewesen. Am liebsten wäre ich an mehreren Orten gleichzeitig. Aber besonders bei der Befreiung der Kinder wäre ich gerne anwesend. Trotzdem bin ich niemals dabei, denn ich will nicht, dass der Eindruck entsteht, die weiße Frau holt die Kinder da raus. Das ist eine Angelegenheit des ghanaischen Staates und darum Roland Kumfos, des zuständigen Welfare Officers, Aufgabe, in Zusammenarbeit mit Joycelyn. Die Lage ist so kompliziert, dass ich sie durch meine Hautfarbe nicht noch schwieriger machen möchte. Das Wichtige ist, Josuah ist in Sicherheit.
»Wer kommt als Nächstes dran?«
»Ein Kind aus dem zweiten Dorf, ein Mädchen. Es heißt Stella. Sind die Zwillinge noch da?«
Schon ist er auf dem Weg in Richtung Büro. Ich folge ihm und muss lächeln. Emmanuel ist aus demselben Holz geschnitzt wie ich. Müdigkeit kennt er nicht, solange er noch etwas zu tun hat. Auch wenn er eben fünfhundert afrikanische Kilometer hinter sich gebracht hat.
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Kapitel 5
Meine afrikanische Schwester
I n Afrika zu reisen ist für uns Europäer mitunter ganz schön anstrengend. Damals war ich noch mit öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs, und das bedeutete, dass ich von Apewu nach Accra mindestens einen vollen Tag unterwegs war, je nachdem, ob es regnete oder nicht oder ob es eine Fahrgelegenheit gab oder nicht. Heute brauchen wir für diese Strecke in unserem geländetauglichen Jeep, den wir mit Spendengeldern aus Deutschland anschaffen konnten, acht bis zehn Stunden. Bis dahin fuhren wir Trotro wie jeder Afrikaner eben auch, der keinen eigenen Wagen hat.
Ich fahre eigentlich gerne Trotro. Nirgendwo kann man so tief eintauchen in das afrikanische Leben wie in diesen Kleinbussen, in die aber in Afrika fast genauso viele Fahrgäste hineinpassen wie bei uns in einen ausgewachsenen Reisebus. Irgendwie scheinen die afrikanischen Kleinbusse Gummiwände zu haben, sonst wäre das schlichtweg nicht möglich. Statt festen Abfahrtszeiten gilt hier: Erst ein volles Trotro ist ein abfahrbereites Trotro. Und darum muss man eben warten, bis sich genügend Mitfahrer eingefunden haben. Auch wenn das Stunden oder Tage dauert.
Dies war immer wieder eine harte Prüfung für meine deutsche Ungeduld. Einmal, als mir die Warterei zu bunt wurde, schlug ich dem Fahrer vor, ich könnte einfach alle Platzkarten aufkaufen – denn schließlich kostet eine Fahrt umgerechnet nur wenige Cent. Meine Zeit, dachte ich mir, ist wertvoller als die paar Euro. Eine ziemlich deutsche Einstellung. Das fand auch der Fahrer, der überhaupt nicht verstand, was ich wollte, und der auf mein Angebot, das gesamte Trotro zu mieten, nicht einging. So etwas kommt einfach nicht vor in der Mentalität dieser Menschen, so dass er, auch wenn Emmanuel mein Anliegen astrein übersetzte, mich einfach nicht verstand. Ich gab auf und entspannte mich.
Ein anderes Mal war das Trotro zwar voll, doch der Mate des Fahrers fehlte. Das ist derjenige, der bei jeder Haltestelle die Tür öffnet und schließt und bei den Leuten das Fahrgeld kassiert. Wir warteten und warteten, und schließlich sagte ich: »Weißt du was, Emmanuel, sag ihm,
ich
mache den Mate.«
Erst wollte es der Fahrer nicht glauben, lachte sich halb tot bei der Vorstellung, eine deutsche Frau könne sein Mate sein, doch als er sah, dass es mir ernst damit war, stimmte er zu. Wir fuhren los, und ich hatte noch nie so viel Spaß wie während dieser Fahrt. Die Leute, die einstiegen, starrten mich an, als wäre ich eine Erscheinung, und sicherlich erzählen sie heute noch die Geschichte von der blonden Weißen, die ihnen damals die Fahrkarte verkaufte.
Auch wenn ich hart im Nehmen bin – nach einigen Wochen Busch und der umständlichen Trotro-Fahrt zurück nach Accra war ich jedes Mal ganz schön erledigt. Um Kosten zu sparen, hatte ich mich bislang in einem einfachen Guest House eingemietet, dessen Komfort dem einer Jugendherberge bei uns entsprach. Bei dieser Gelegenheit im Herbst 2005 allerdings nannte ich dem Taxifahrer die Adresse in Accras Stadtteil La Pas, die Kofi mir aufgeschrieben hatte. Ich war sehr gespannt, denn nie zuvor war ich in Accra bei einer Familie zu Gast gewesen. Das Taxi hielt vor einem Haus mit einem großen Tor davor.
Als ich läutete, öffnete mir Kofi die Tür.
»Willkommen!«, sagte er. »Komm, ich stell dich Mimie vor.«
Da
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