Weiße Nana / Mein Leben für Afrika
privater Ebene um ein Kind besonders zu kümmern. Auch ich hatte als Baby meine Großeltern, die nicht mit mir verwandt waren, sich aber dennoch um mich kümmerten und denen ich so viel verdanke. Ich fand es also nur natürlich, jetzt, da ich erwachsen war, dies auf meine Weise weiterzugeben. Und warum nicht in Afrika, wo es mir so gut gefallen hatte?
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22. Bettina und Bettina
Also nahm ich diese Ehre mit Freuden an.
Die Eltern der kleinen Bettina trennten sich ein paar Jahre nach der Geburt des Kindes, und Bettina lebte bei ihrer Mutter. Als sie das entsprechende Alter erreicht hatte, sprach ich mit der Mutter und überzeugte sie davon, dass ich die Mittel hatte, dem Kind eine gute Schulausbildung zu ermöglichen. Das war das erste und einzige Mal, dass ich mich einmischte, aber ich fand, meine Rolle als Patin verlangte das auch.
Ich war in der Lage, der kleinen Bettina eine Tür zu öffnen, die für ihre weiteres Leben von entscheidender Bedeutung sein würde. Leider bedeutete das in Apewu natürlich, dass das Kind in ein Internat musste, und es dauerte eine Weile, bis die Mutter das einsah und bereit war, ihr Kind loszulassen. Bei der Schulwahl bezog ich auch den Vater mit ein, und gemeinsam suchten wir die passende Schule aus, und Bettina ging nach Kumasi.
Inzwischen ist sie ein zehn Jahre altes besonnenes Mädchen, eine gute Schülerin und stolz darauf, dass sie neben ihrer leiblichen auch eine weiße Mutter hat. Besuche ich sie in ihrer Schule, wissen alle, aha, Bettinas Mama ist da. Ich verfolge so gerne ihre Entwicklung und freue mich an ihren schulischen Leistungen. Sie ist sehr gut in Mathematik und Englisch, und sie erinnert mich oft an die Chance, die ich als Kind durch meine Großeltern geboten bekam.
Inzwischen sind acht weitere kleine Mädchen nach mir benannt, Bettina ist der absolute Modename am Ufer des Bosomtwisees geworden, aber zu keiner dieser Bettinas habe ich eine so enge Beziehung wie zu meinem ersten Patenkind.
Dann kam noch Godwin in unsere »Familie«. Den brachte Mimie zu uns. Godwin ist der Sohn einer ihrer Schneiderinnen, Rita, die eines Morgens mit verweinten Augen zu Mimie kam und ihr von ihrem Sohn erzählte.
»Ich musste ihn bei seinem Vater in der Voltaregion lassen«, berichtete Rita, »doch der schlägt ihn nur und lässt ihn nicht einmal zur Schule gehen.«
»Was sollen wir bloß machen?«, fragte mich Mimie am Abend. »Wir können doch nicht einfach so hinnehmen, dass der Junge vor die Hunde geht.«
»Nein«, sagte ich, »lass ihn herkommen. Irgendwie füttern wir den auch noch mit durch.«
Godwin war sieben Jahre alt, als er zu uns kam. Wir sahen uns in die Augen – und es war Liebe auf den ersten Blick. Die ersten Tage beobachtete er mich mit riesigen Kulleraugen, denn ich war die erste Weiße, die er in seinem Leben zu sehen bekam.
Der Junge war so entsetzlich dünn, dass es mir fast Angst machte. Er konnte weder schreiben noch lesen, und das Schlimmste war, er sprach nur Ewe, die Sprache aus der östlichen Provinz am Voltasee. In Accra wird aber Twi und allenfalls Ga gesprochen, der Unterricht findet in diesen Sprachen statt, und in der neuen Schule, in der wir ihn anmeldeten, kam er deshalb natürlich überhaupt nicht mit.
Also suchten wir für ihn ein Internat in Ho, der Hauptstadt der Voltaregion, eine Schule mit gutem Namen, die ich gerne für ihn finanzierte.
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23. Godwin
Allerdings mussten wir leider feststellen, dass Godwin dort in keinen guten Händen war. Da er noch nie eine Schule besucht hatte, wäre es nötig gewesen, sich besonders um ihn zu kümmern, damit er den versäumten Stoff nachholen konnte. Leider ist dies nicht geschehen. Und eines Tages – ich war natürlich ausgerechnet in Deutschland – wäre beinahe etwas Schreckliches passiert.
Während des Sportunterrichts sprang ihm ein anderes Kind in den Rücken, und Godwin konnte sich daraufhin nicht mehr rühren. Statt ihn sofort ins Krankenhaus zu bringen, das keine fünf Minuten von der Schule entfernt war, legten sie den Jungen einfach ins Bett und warteten ein paar Tage ab.
Als es mit Godwin nicht besser wurde, telefonierten sie mit Rita, die völlig aufgelöst Mimie anrief, die wiederum mich in Deutschland alarmierte. Es war mitten in der Nacht, und es gibt nichts Schlimmeres, als eine solche Nachricht zu erhalten, während man 6000 Kilometer entfernt ist und selbst rein gar nichts unternehmen kann.
In meiner Not rief ich einen guten
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