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Weiße Nebel der Begierde

Titel: Weiße Nebel der Begierde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaclyn Reding
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Juliana brauchte, konnte er sie als von Gott gesandt ansehen.
    Er brauchte sie wirklich. Er musste Juliana eine Erziehung ermöglichen, die ihr half, in der Gesellschaft als so normal, wie es unter diesen Umständen möglich war, angesehen zu werden. Seine Zeit, das war ihm nur allzu bewusst, lief gefährlich rasch ab.
    Gabriel merkte selbst nicht, dass er die mysteriöse Miss Harte unverhohlen anstarrte, bis sie fragte: »Rann ich etwas für Sie tun, Mylord? Möchten Sie, dass ich Ihnen das Salz reiche?«
    Gabriel wandte sich von ihr ab und richtete den Blick auf die Schatten jenseits des langen Tisches. »Nein danke, Miss Harte.«
    Das Schweigen überdauerte vier Gänge, die allen Anwesenden vorkamen wie zehn, doch schließlich legte Miss Harte ihre Dessertgabel aus der Hand und sagte: »Ich habe Ihre Ställe bei meiner Ankunft auf der Insel gesehen, Mylord. Ich dachte daran, mich morgen ein wenig in der Umgebung umzusehen, wenn es das Wetter erlaubt. Reitet Juliana gern?«
    Gabriel schaute sie an, als hätte sie in einer fremden Sprache gesprochen. Für jeden anderen wäre das eine ganz normale Frage gewesen, aber Eleanor konnte nicht ahnen, dass sie für Gabriel so schwer zu beantworten war wie die Frage, warum die Märzhasen immer verrückt spielten. Er konnte an den Fingern einer Hand abzählen, wie oft er in den vergangenen drei Jahren mit seiner Tochter zusammen gewesen war. Er wusste weder, ob sie reiten, noch ob sie einen vollendeten Knicks machen konnte. Aber die Gouvernante sah ihn erwartungsvoll an und deshalb gestand Gabriel mit Blick an die gegenüberliegende Wand: »Ich kann nicht sagen, ob sie gern reitet oder nicht, Miss Harte.«
    »Ich verstehe ...« Ihre Stirn legte sich kurz in Falten, während sie an ihrem Tee nippte. »Ich habe vorhin im Schulzimmer über Julianas Lehrplan nachgedacht und bin der Ansicht, wir sollten unsere Studien mit Literatur beginnen. Kann Juliana lesen?«
    »Ich glaube, sie hat gewisse Kenntnisse, aber ganz sicher bin ich nicht.«
    »Ist Ihnen bekannt, ob sie bereits an die Klassiker herangeführt wurde, ob sie mit Vergil oder Homer vertraut ist?«
    »Nein, das ist mir nicht bekannt.«
    »Kann sie rechnen? Wurde sie in Musik unterrichtet?«
    Diesmal machte sich Gabriel nicht einmal mehr die Mühe zu antworten, sondern schüttelte lediglich den Kopf. Verstand sie denn nicht, dass er ihr nicht absichtlich Informationen vorenthielt, sondern dass er wirklich nicht das Geringste über sein Kind wusste?
    »Können Sie mir das genaue Geburtsdatum Ihrer Tochter nennen, Mylord?«
    Diese Frage sollte ihn wachrütteln, das wusste er.
    Und sie hatte Erfolg.
    Gabriel sah die Gouvernante an. »Zwanzigster Februar, Miss Harte.«
    Nach diesem Sieg lächelte die Gouvernante. »Danke, Mylord. Ich werde es mir notieren.«
    Die große Standuhr schlug in diesem Augenblick siebenmal. Eine Stunde war verstrichen, die allen wie eine Ewigkeit erschienen war. Mit einem Mal wollte Gabriel überall sein, nur nicht hier, in diesem Raum, in dem ihm vor Augen geführt worden war, wie sehr er seine Tochter in den letzten drei Jahren vernachlässigt hatte.
    Er wischte sich den Mund mit seiner Serviette ab und stand auf. »Es ist schon spät und ich habe noch einiges zu erledigen. Wenn Sie mich bitte entschuldigen würden.«
    Der Viscount wandte sich ab, bevor Eleanor etwas erwidern konnte, und ging, ohne, wie sie bitter feststellte, seiner Tochter eine gute Nacht zu wünschen.
    Er war verärgert über die versteckte Anschuldigung, die ihre letzte Frage enthalten hatte, dessen war sich Eleanor bewusst. Wahrscheinlich hät-te sie sich mehr zurückhalten müssen, aber seine Gleichgültigkeit seiner Tochter und ihren Belangen gegenüber war schlichtweg empörend. Aber ihr war wenigstens gelungen, ihm ins Gedächtnis zu rufen, dass er überhaupt eine Tochter hatte, eine Tochter, die seine Aufmerksamkeit verzweifelt brauchte. Eleanor war fest entschlossen herauszufinden, warum er sich weigerte, sie der Kleinen angedeihen zu lassen.
    Eleanor sah, dass Juliana ihren Nachtisch nicht angerührt hatte. Das Mädchen hatte allem, was um sie herum vorging, auch dem Abschied ihres Vaters, keine Beachtung geschenkt, zumindest hatte man ihr äußerlich nichts angesehen. Aber wer konnte wissen, was sich in ihrem Inneren abspielte?
    Eleanor erhob sich. »Komm, Juliana, sehen wir nach, ob wir eine interessante Beschäftigung im Schulzimmer finden, bis es Zeit wird, ins Bett zu gehen.«
    Sie wartete, bis Juliana aufgestanden

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