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Weiße Nebel der Begierde

Titel: Weiße Nebel der Begierde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaclyn Reding
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Anders als die früheren Gouvernanten, die ziemlich rasch davon Abstand genommen hatten, sich wirklich mit Juliana abzugeben, redete Miss Harte mit dem Kind, als würden sie eine interessante Unterhaltung führen. Sie bezog die Kleine in alles mit ein, was sie umgab, stellte ihr sogar Fragen, als wäre ihr gar nicht bewusst, dass sie die Einzige war, die redete.
    Die Stunden vergingen rasch. Auf halbem Weg zum Festland kreuzte das Schiff dort, wo die Förde schmaler wurde, und fuhr zwischen den beiden größeren Inseln Mull und Jura hindurch. Der Wind zerrte heftiger an dem kleinen Boot, als es auf dem aufgewühlten Wasser der Meerenge tanzte. Salziger Gischt spritzte bei jeder Welle über den Bug.
    An einer Stelle hörten die Ruderer plötzlich auf, die Blätter durch das Wasser zu ziehen, und sie hoben die Ruder in die Höhe, damit Donald sie geschickt über die kabbeligen Wogen manövrieren konnte.
    Es wurde still. Selbst Miss Harte schien die Veränderung zu spüren, als sie den Hafen von Oban ansteuerten. Bald war ein entferntes Grollen im Osten zu hören, und es schien mit jeder Welle, die sie durchfuhren, lauter zu werden.
    » Och «, sagte Donald, während er das Steuer fest in der Hand hielt, »klingt, als ob der cailleach heute Morgen in toller Laune wäre.«
    »Der cailleach?«, fragte die Gouvernante.
    »Aye. Hören Sie das, Miss Nell? Dieses Donnern? Das ist der Strudel zwischen den Inseln, das Grollen von Corryvrecken. Das ist ein fürchterlicher Wasserwirbel an der Nordküste der Insel Jura.« Er deutete auf die Insel mit den drei Bergen, die sich über den Dunst erhoben. »Sie und das kleine Mädchen sollten sich lieber gut festhalten. Könnte für ein paar Minuten ziemlich rau und unruhig auf dem Wasser werden.«
    »Ist es gefährlich?«, wollte Miss Harte wissen und spähte besorgt zum östlichen Horizont. Ihre überschäumende Begeisterung für den Segelausflug war plötzlich verflogen.
    »Aye, kann sein - wenigstens für die, die sich auf dem Wasser von Lorne nicht auskennen«, sagte Donald. »Auf Gälisch heißt das Coire Bhreacain, >Prinz Breacains Kesseh, und er ist fast so alt wie diese Inseln, wie es in der Legende heißt. Man erzählt sich, dass vor Hunderten von Jahren, als die
    Pikten und Gälen diese Gegend bewohnten, eines Tages Prinz Breacain aus dem fernen Norwegen hierher kam, um eine schöne Tochter eines Lords der Inseln zu freien.
    Aber der Lord wollte den jungen Prinzen auf die Probe stellen, bevor er ihm seine geliebte Tochter anvertraute. Also verlangte er von dem Prinzen, seine Galeere drei Tage und drei Nächte lang in der reißenden Strömung der Gezeiten zwischen Jura und Scaraba vor Anker gehen zu lassen. Wenn er bis zum Morgen nach der dritten Nacht durchhielt, würde er die schöne Maid als Braut heimführen können.
    Viele Segelschiffe waren schon in diesem trügerischen Gewässer gekentert und gesunken, deshalb hielt es der Prinz für ratsam, sich auf die Prüfung vorzubereiten. Er segelte zurück nach Norwegen, um den Rat der Weisen und Zauberer einzuholen. Die gelehrten Männer studierten uralte Schriftrollen und beteten zu den altnordischen Göttern. Schließlich suchten sie mit ihrem weisen Ratschlag den Prinzen auf.«
    »Was haben sie ihm gesagt?«, erkundigte sich Miss Harte mit weit aufgerissenen Augen.
    »Sie baten ihn, drei Taue zum Königreich der Inseln mitzunehmen, eines sollte aus Wolle gesponnen sein, das zweite aus Hanf und das dritte aus dem Haar reiner und unschuldiger Jungfrauen. Ich brauche wohl kaum zu sagen, dass viele norwegische Mädchen dem hübschen Prinzen mit Freuden ihre seidigen Haare schenkten, aber er wusste nicht, dass eines der Mädchen -« Donald schüttelte traurig den Kopf- »na ja, sie war nicht ganz so rein. Ahnungslos segelte Prinz Breacain mit den drei Tauen und voller Zuversicht, die schwere Prüfung zu bestehen, zurück zu den Inseln.«
    Gabriel ertappte sich dabei, wie er fasziniert den Gesichtsausdruck von Donalds Zuhörerin betrachtete. Vergessen war ihre Angst vor dem lauten Dröhnen, so gefangen war sie von der uralten Geschichte.
    Und Gabriel war gefangen von ihr.
    »Was geschah, als der Prinz zurückkam?«, wollte sie wissen.
    »In der ersten Nacht«, fuhr Donald fort, »riss das Tau, das aus Wolle gesponnen war, aber dem Prinzen gelang es, der Strömung standzuhalten und die Nacht zu überstehen. In der zweiten Nacht ging das Hanftau entzwei. Dennoch geschah Brecain kein Leid. Das dritte Seil hielt während der dritten

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