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Weiße Nebel der Begierde

Titel: Weiße Nebel der Begierde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaclyn Reding
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Nacht, genau wie es die weisen Männer prophezeit hatten, bis ein fürchterliches Unwetter im Westen aufzog. Da riss das Tau an der Stelle, in die das Haar des unreinen Mädchens geflochten war. Kurz vor Tagesanbruch wurden Brecain und sein Schiff von der reißenden Strömung erfasst. Aber sein treuer Hund rettete den Leichnam des armen Prinzen aus dem aufgewühlten Wasser und brachte ihn auf die Insel Jura. Dort wurde der Prinz in einer Höhle begraben, die heute noch seinen Namen trägt.«
    Die Gouvernante sah Donald voller Ehrfurcht an. Sogar Juliana hatte sich von der Geschichte aus der Reserve locken lassen und hielt den Blick auf MacNeill gerichtet.
    Gabriel verhielt sich ganz still, aber innerlich zollte er dem alten Seemann Beifall, denn Donald hatte sich so lange Zeit mit seiner Erzählung gelassen, bis sie die Gefahr überwunden hatten. Das Heulen und Tosen wurde bereits wieder schwächer.
    Kurze Zeit später legten sie in dem geschäftigen Hafen von Oban an.
    Gabriel sprang als Erster an Land, um das Schiff sicher zu vertäuen, dann half er den anderen von Bord. Die letzten Stunden waren eine Tortur für ihn gewesen - seit Monaten war er Juliana strikt aus dem Weg gegangen und jetzt war sie ihm so nahe. Er musste sich ständig ins Gedächtnis rufen, welcher Gefahr er sie aussetze, wenn er sich in ihrer Gesellschaft zu wohl fühlte.
    Als jetzt Juliana ihre Hand in seine legte, hatte er alle Mühe, ein Lächeln zu unterdrücken, und nickte nur knapp, als er ihr auf den Pier half.
    Dann streckte er Miss Harte, die im Bug wartete, seine Hand entgegen. Genau in dem Moment, als sie einen Fuß auf den Pier setzte, fing das Schiff plötzlich an zu schlingern und schleuderte sie in seine Arme. Sie sah überrascht zu ihm auf. Sie war ihm so nahe, dass er die Wärme ihres Atems an seinem Kinn fühlte, und ihr Duft raubte ihm beinahe die Sinne.
    Er machte buchstäblich einen Satz. Ihre Wärme, der betörende Geruch und ihre weichen Formen, die sich so an ihn pressten, brachten sein Blut in Wallungen.
    Schon lange hatte er nicht mehr so empfunden.
    Es fühlte sich so gut an, sie in den Armen zu halten. Sie starrte ihn aus großen Augen an und ihre Lippen waren leicht geöffnet. Es wäre ein Leichtes, sie jetzt zu küssen, dachte er, und er wusste tief in seinem Inneren, dass sie es zulassen würde, gleichzeitig war er sich im Klaren, dass er auf jeden Fall die Finger von ihr lassen musste.
    Sofort.
    Gabriel stellte sie sicher auf den Boden und trat unbeholfen zurück.
    »Wir dürfen nicht später als zwei Uhr ablegen, wenn wir vor Einbruch der Nacht die Insel erreichen wollen«, sagte er schroffer als beabsichtigt.
    Ohne eine Erwiderung abzuwarten, wandte er sich ab und tat so, als müsste er die Vertäuung noch einmal überprüfen. Eleanor sah ihm verwirrt nach.

Kapitel sieben
    Eine steile Steintreppe, die nass und rutschig vom Gischtwasser war, führte vom Pier in die George Street, die Hauptstraße von Oban.
    Das kleine Fischerdorf war in den letzten dreißig Jahren sehr gewachsen und breitete sich jetzt an der Ostkurve der malerischen Bucht aus. Die Stadt bestand hauptsächlich aus mit Stroh gedeckten Cottages und weiß getünchten Häusern mit spitzen Dächern. Es gab keine Kirche, dafür aber zwei kleine Gasthöfe, ein Zollhaus, eine Destilliere und einige andere Handwerksbetriebe, die zum großen Teil mit der Fischerei, dem bedeutendsten Wirtschaftszweig des kleinen Ortes, zusammenhingen.
    Oban, das am Fuß eines bewaldeten Berges lag, wurde durch die grüne Insel Kerrera am Ende der Bucht vor den scharfen Hebriden-Winden geschützt und am nördlichen Rand vom Fort Dunollie beherrscht.
    Diese alte Burg, der ursprüngliche Sitz des Mac-Dougall-Clans und Bollwerk der Könige von Dalriada, war jetzt nur noch eine Ruine. Der heutige MacDougall-Chef besaß immer noch das Land und bewohnte ein Haus, das aus den alten Steinen der Burg nach der Niederlage von ’45 erbaut worden war. Von der Festung war nur noch der alte Bergfried übrig, der wie ein Wächter über der geschützten Bucht auf dem Gipfel des Berges stand.
    Eleanor hielt es für geboten, den Stadtbummel an einem Ort zu beginnen, den sie bereits kannte; deshalb ging sie zuerst durch die George Street zu dem kleinen Gasthaus, in dem sie am Anfang der Woche übernachtet hatte. Sie wollte Mrs Maclver, die Frau des Wirtes, fragen, wo sie die dringend benötigten Schuhe bekommen konnte.
    Sie mussten einem Ponykarren ausweichen, und Eleanor nahm Julianas Hand,

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