Weiße Nebel der Begierde
um sie auf die Seite zu ziehen. Sie ließ nicht los, nachdem der Karren an ihnen vorbeigerumpelt war, und freute sich, dass Juliana nicht daran dachte, sich von ihr loszureißen.
Sie betraten die schwach beleuchtete Gaststube, doch kein Mensch ließ sich blicken, aber Eleanor hörte gedämpfte Stimmen in der Küche. Sie sah Juliana mit einem Lächeln an und führte sie zu der groben Bank unter dem kleinen Fenster.
Eleanor drehte sich in dem Moment um, in dem die Wirtsfrau in die Stube kam und sich die Hände an der Schürze abwischte.
»Oh. Mädchen. Sie haben mich aber erschreckt. Ich hab Sie nicht gehört, aber ich kann nicht sagen, dass es mich überrascht, Sie hier zu sehen. Genau das hab ich erwartet. Ich hab’s ja gleich gesagt, dass nur wenige länger als eine Nacht auf dieser verfluchten Insel bleiben. Aber keine Angst, das Zimmer steht noch für Sie bereit. Bleiben Sie nur eine Nacht oder diesmal ein wenig länger?«
Eleanor schüttelte den Kopf. »O nein, tut mir Leid, Mrs Maclver, aber Sie irren sich. Ich habe nicht die Absicht, mich bei Ihnen einzumieten. Ich habe mich entschieden, auf der Insel zu bleiben und dem Lord als Gouvernante zu Diensten zu sein. Ich bin nur ...«
»Gouvernante?« Mrs MacIvers Augen wurden kugelrund vor Fassungslosigkeit. Erst jetzt entdeckte sie Juliana, die hinter Eleanor saß. Ihr Fiel der Unterkiefer herunter, und es dauerte eine ganze Minute, bis sie ihre Sprache wiedergefunden hatte. »Sie wollen auf dieser verruchten Insel bleiben und sich um dieses Dämonenkind kümmern?«
Eleanor funkelte die Frau an. »Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie keine so unfreundlichen Reden in Gegenwart von Miss MacFeagh führen würden.«
»Sie ist das Kind eines Dämons, das ist so sicher, wie er ihr die Stimme geraubt hat.«
»Jetzt ist es aber genug, Mrs Maclver.«
»Und warum spricht sie dann nicht?«
»Vielleicht, weil sie nichts zu sagen hat? Ich darf Sie daran erinnern, dass die Tatsache, dass sie nicht spricht, nicht heißt, dass sie nicht hören kann, also möchte ich Sie wirklich bitten, weitere Bemerkungen zu unterlassen. Wenn Sie jetzt bitte so freundlich wären, uns zu sagen, wo wir den Schuster des Ortes finden, dann verschwinden wir aus Ihrer Gaststube und machen uns auf den Weg.«
Mrs Maclver schüttelte bekümmert den Kopf. »O Mädchen, Sie machen einen furchtbaren Feh-ler. Einen ganz schrecklichen, beklagenswerten Fehler.«
»Dann ist es mein Fehler, den ich mache. Der Schuster, Mrs Maclver, wenn ich bitten darf.«
Die Frau runzelte die Stirn - es war kaum zu übersehen, wie unzufrieden sie war, weil sie ihre Besucherin nicht von dem unsinnigen Vorhaben hatte abbringen können. »Er ist ein Stück weiter unten an der Straße auf der Seite der Bucht. Er hat einen großen schwarzen Hund, der den ganze Tag vor der Tür liegt, der alte Faulpelz. Halten Sie nur nach dem Köter Ausschau, dann können Sie den Schuster nicht verfehlen.«
Eleanor dankte der Frau und hielt Juliana die Hand hin. Das Kind ergriff sie hastig und war zweifellos genau so erpicht darauf hinauszukommen wie Eleanor.
Als Eleanor nach dem Türgriff fasste, entdeckte sie einen Zettel am selben Platz neben der Tür, an dem vor ein paar Tagen noch die Anzeige gewesen war, die sie nach Trelay geführt hatte.
Aber diesmal wurde keine Anstellung angeboten.
KUNDGABE
Für die sichere Rückkehr von Lady Eleanor Wycliffe aus dem hoch geschätzten Herzogtum Westover wird eine beträchtliche Belohnung ausgesetzt.
Die Lady hat braunes Haar und grüne Augen und wurde zuletzt gesehen, als sie allein durch die nördlichen Highlands reiste. Falls Sie Angaben über ihren Verbleib machen können, setzen Sie sich bitte mit seiner Gnaden, dem Duke of Westover, oder seinem Erben,
Marquess Knighton, in Verbindung.
Bei der Suche werden keine Kosten und Mühen gescheut.
Eleanor spürte, wie das Blut aus ihrem Gesicht wich. Guter Gott, dachte sie, sie machen Jagd auf mich.
Die Verlautbarung musste in den letzten beiden Tagen hier aufgehängt worden sein, da sie sie bei ihrem ersten Aufenthalt in der Herberge noch nicht gesehen hatte. Am liebsten hätte sie Mrs Maclver gefragt, wer sie gebracht hatte und wann, aber sie fürchtete, dass ihr Interesse nur darauf aufmerksam machen würde, dass sie die vermisste Person war.
Im Grunde war sie erstaunt, dass die Wirtsfrau noch nicht von selbst darauf gekommen war.
Eleanor warf einen verstohlenen Blick auf die Frau, die mittlerweile damit beschäftigt war, Blumen in
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