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Weiße Nebel der Begierde

Titel: Weiße Nebel der Begierde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaclyn Reding
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und ins Bett steckten.
    Sie deckten sie mit einer Wolldecke zu, doch das Kind hörte nicht auf zu zittern, und in ihren Augen war nach wie vor dieser erschreckend starre Blick.
    »Was, um Himmels willen, ist mit dem Mädchen passiert?«, fragte Mairi flüsternd.
    Eleanor schüttelte den Kopf. »Ich weiß es nicht. Wir haben einen Besuch bei den McNeills gemacht und waren auf dem Weg zum Schloss. Alles war bestens. Ich plauderte über etwas - ich weiß gar nicht mehr, worüber - und wir mussten auf einen Felsen klettern. Ich habe ihr zuerst hinaufgeholfen, und als ich auch oben ankam, stand sie wie versteinert da. Sie hat sich nicht mehr von der Stelle gerührt, egal, was ich auch versucht habe. Als sie anfing zu zittern, bekam ich richtig Angst. Hat sie so was schon einmal gemacht?«
    Mairi wurde plötzlich sehr ernst und nickte bedächtig. »Ja, aber nur einmal. An dem Tag, an dem ihre Mutter verschwand.«
    Eleanor hatte das Gefühl, als würde all ihre Kraft aus ihrem Körper gezogen. Sie musste sich am Bettpfosten festhalten, damit sie nicht zu Boden sank.
    Die Haushälterin schüttelte wieder den Kopf. »Ich hole einen Tee mit einem bisschen Baldrian. Das wird sie beruhigen, und ich denke, Ihnen wird es auch gut tun.«
    Eleanor brachte kaum ein Nicken zustande, als Mairi das Zimmer verließ.
    Sie hatte sich nie hilfloser gefühlt als in diesem Moment. Sie wollte wissen, was diese plötzliche Veränderung in dem Kind bewirkt hatte. Hatte sie etwas Falsches gesagt oder getan? Noch wichtiger war ihr die Frage, was sie unternehmen konnte, um Juliana aus dieser Erstarrung zu lösen. Eleanor war verzweifelt und fühlte sich entsetzlich allein. Sie würde alles tun, um dieses Entsetzen aus dem süßen Kindergesicht zu vertreiben. Alles ...
    Instinktiv setzte sich Eleanor aufs Bett, nahm Juliana zärtlich in die Arme und wiegte sie, wie ihre eigene Mutter es gemacht hatte, wenn sie aus einem Alptraum aufgeschreckt war. Sie summte leise vor sich hin und strich mit der Hand über das feuchte Kinderhaar, schloss die Augen und betete, dass sich Juliana wieder erholen möge.
    Nach ein paar Minuten ließ das Zittern nach, aber Eleanor wiegte sie weiter in den Armen und summte und tröstete das Kind, das sich so schnell und mühelos in ihr Herz geschlichen hatte.
    Gabriel nahm immer zwei Stufen auf einmal, als er mit geballten Fäusten hinauf zu den Kinderzimmern stürmte. Er hatte fast den ganzen Tag am Fenster seines Arbeitszimmers gestanden und nach den beiden Ausschau gehalten. Je länger sie ausgeblieben waren, umso mehr hatte sich seine Laune verschlechtert. Als bei Einbruch der Nacht der Nebel aufkam, war er felsenfest davon überzeugt, dass ihn der verdammte Fluch erneut getroffen hatte.
    Er hatte sein Pferd bereits gesattelt und war drauf und dran, sich auf die Suche zu machen, als Angus MacNeill, der Cousin von Donald, atemlos in den Hof gerannt kam und ihm sagte, wo Miss Harte mit dem Kind war.
    Gabriel gab dem Pferd die Sporen und machte sich entsetzliche Vorwürfe. Er hatte dieses Unheil heraufbeschworen, redete er sich ein. Wenn er am Tag zuvor nicht in seiner Zurückhaltung nachgelassen hätte, wenn er sich nicht gestattet hätte, sich an Julianas Freude über das Fernglas zu weiden, das Miss Harte ihr geschenkt hatte, dann wäre das alles nicht passiert.
    Die Fortschritte, die die Gouvernante in der kurzen Zeit mit Juliana gemacht hatte, waren wirklich erstaunlich. Bisher war es noch niemandem gelungen, den Schutzwall, den Juliana nach Georgianas Tod um sich herum aufgerichtet hatte, zu durchbrechen. Das Schlimmste war, dass ihm diese neue Entwicklung Hoffnung auf ein besseres Leben gemacht hatte. Hoffnung auf ein Dasein ohne die Schatten der Angst.
    Warum lernte er nicht dazu?
    Jetzt, nur wenige Tage nachdem er sie eingestellt hatte, war er auf dem Weg, gerade die Person, der es endlich gelungen war, seiner Tochter näher zu kommen, aus dem Haus zu schicken. Er war wütend auf sich selbst, weil er am gestrigen Tag jede Vorsicht in den Wind geschlagen hatte. Auf dem Heimweg vorhin hatte er seinen Zorn gegen die Gouvernante gerichtet und sich vorgenommen, sie für sein eigenes Versagen verantwortlich zu machen und zu entlassen.
    Doch als er das Kinderzimmer betrat und den Mund öffnete, um die Worte auszusprechen, die diese bemerkenswerte Frau für immer aus ihrem Leben verbannen würden, versagte ihm die Stimme, und die Wut, die mit jedem Schritt mehr in seinem Inneren gebrodelt hatte, löste sich in Nichts

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